Wo das Finanzamt im Dunklen tappt

von Redaktion

Die Politik fürchtet diesen Tag. Heute legt der Oberste Rechnungshof seinen Jahresbericht vor. Vereinfacht gesagt: Eine Rüffel-Sammlung, wo Bayern ineffizient mit Steuergeld umgeht. Wir haben uns die Bedenken angesehen.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Fürs Wochenende gäbe es da noch ein Schnäppchen. Eine Ferienwohnung in der Münchner Altstadt, zehn Gehminuten zum Marienplatz. Hell gefliest, zwei Bäder, frisch geputzt, Handtücher und Toilettenpapier ausreichend vorhanden, Shampoo bitte selbst mitbringen. Ja, und ein wenig Kleingeld wäre gut: Der Preis für die zwei Tage liegt bei 1500 Euro.

Im Münchner Miet-Wahnsinn sind Summen wie diese, gesehen am Montag auf dem Portal AirBNB, keine Seltenheit mehr. Hotels klagen über die private Konkurrenz, Mieter schimpfen über Entzug von Wohnraum, wenn Immobilien länger als wie erlaubt während acht Wochen im Jahr auf Portalen eingestellt werden. Jetzt entdeckt der Staat ein weiteres Ärgernis: Bei den Kurzzeit-Vermietungen werden offenbar massiv Steuern hinterzogen.

Der Oberste Rechnungshof (ORH) nimmt das Problem im Jahresbericht ins Visier, der heute vorgestellt wird. Die Dimension sei groß. Schon 2017 buchten 230 000 München-Gäste eine Unterkunft bei AirBNB. „Die Vermieter legen aber so vereinnahmte Mieten in der Steuererklärung nicht immer offen“, schreiben die Prüfer. „Es drohen erhebliche Steuerausfälle.“

Die Prüfer fordern die Finanzbehörden auf, genauer hinzuschauen. Sie könnten auch von den Plattform-Betreibern Daten einholen. In der Steuererklärung soll es außerdem ein eigenes Feld für kurzfristige Mieteinnahmen geben. Und: Die Stadt München soll besser mit den Finanzbehörden zusammenarbeiten. Mitunter bekommen städtische Kontrolleure nämlich halblegale Vermietungen mit und verhängen Bußgelder. Das Finanzamt weiß davon aber oft nichts. Bayerns Finanzministerium reagiert zurückhaltend. Man sensibilisiere derzeit die Mitarbeiter und entwickle Anpassungsvorschläge für die Steuererklärung, sagt ein Sprecher. Eine totale Auskunftspflicht sei aber „unter Verhältnismäßigkeitsaspekten zu weitgehend“.

Vorschreiben kann der Rechnungshof dem Staat das nicht. Die Analysen erzeugen aber öffentlichen Druck. Das gilt auch für alle anderen Hinweise auf den 231 Seiten. Für die Staatsregierung ist die Kritik der unabhängigen Behörde mit gut 200-jähriger Geschichte stets heikel. Im Großen bemängelt der ORH die ausufernden Ausgaben der Söder-Regierung. Verpackt ist das in die Forderung, „nachhaltiger“ zu wirtschaften. Das bedeutet in den Augen von ORH-Präsident Christoph Hillenbrand (61), mehr Geld in Schuldentilgung zu stecken. Bis 2030 soll Bayern schuldenfrei sein, noch sind aber 27 Milliarden Euro Restschulden offen. Für 2019 und 2020 plane Bayern statt zwei Milliarden nur eine Milliarde Euro Tilgung, kritisiert Hillenbrand. Die Ausgaben wachsen weit überproportional, heuer um satte 6,1 Prozent. Die Rücklage schrumpft um 3,7 Milliarden Euro („obwohl in den letzten Jahren die Steuereinnahmen so hoch waren wie noch nie zuvor“), Einzahlungen in den Pensionsfonds sind niedrig.

Insgesamt gilt Bayerns Haushaltsführung auch den strengen Prüfern als „solide“. Im Kleinen werden dem Staat dennoch akribisch Steuersünden nachgewiesen. Bei Neubau und Sanierung der Chemie-Fakultät der TU München stiegen die Baukosten um die Hälfte, 22,9 Millionen Euro. Leitungen in Staatsstraßen werden ineffektiv verlegt, Rechnungen nicht eingetrieben. Das Wirtschaftsministerium versenkte 4,5 Millionen Euro in Werbekampagnen fürs Stromsparen, deren Erfolg nicht messbar war. Die Ärzteförderung im ländlichen Raum floss überwiegend in Regionen, wo gar keine Ärzte fehlen. Auch was abwegig klingt, wird manchmal penibel überprüft: Letztes Jahr ermittelte der ORH, dass das Finanzamt bei der Prüfung von Bordellen nachlässig ist.

Der Bericht, der unserer Zeitung vorliegt, wird heute vorgestellt, später im Parlament diskutiert. Eine große Überraschung ist er für die Regierung nicht. Ministerpräsident Söder erlebt das Gefühl zumindest schon zum zweiten Mal: Den Jahresbericht 2018 bekam er nach nur vier Tagen im Amt.

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