Der Staat schnürt sein Öko-Bündel

von Redaktion

Grünes Bayern – was heißt das konkret? Söders Minister wälzen erste Ideen. Die Pläne reichen von regionalem Kantinen-Essen bis zur Ökolandbau-Quote. Oft mehr, als das Volksbegehren gefordert hat.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Bio? Ob er Bio serviert? Es gibt Fragen, auf die reagiert Norbert Siller recht schwungvoll. Dass er vom Begriff „Bio“ nicht viel hält, sagt der Kantinenchef dann, er schimpft über „Biobananen aus Südafrika – das hat mit Bio nichts zu tun bei dem ganzen Kerosin, was für den Transport rausgeblasen wird“. Als Nachhaltigkeits-Kriterium taugt der Begriff bei Siller also nicht. Besser als allerlei Siegel findet er regionale Produkte von Bauern, die er kennt. An diesem Dienstag serviert er: Hähnchenkeulen (Moosburg), Lauchsuppe (Ismaning), Karotten (Kirchheim).

Das ist nicht ganz ohne Bedeutung. Denn Siller ist Kantinenpächter ausgerechnet in der Staatskanzlei. Zum Essen kommen bei ihm die Beamten der Regierungszentrale, ab und zu auch Ministerpräsident Markus Söder. Sillers Bio-Skepsis und seine konsequent regionale Küche haben bei seinen Gästen offenbar verfangen. Söders Ministerrat leitet am Dienstag jedenfalls eine Vorgabe für Bayerns staatliche Kantinen in die Wege: Fortan soll es dort zu mindestens 50 Prozent regionale Produkte geben.

Die Regio-Quote ist ein winziges, aber griffiges Detail der Maßnahmen der Staatsregierung, um Bayern auf Naturschutz-Kurs zu bringen. Söders Kabinett berät ein ganzes Bündel kleiner und größerer Vorhaben. Ziel ist, bis Anfang Mai ein umfassendes Gesetzespaket zu schnüren, um einerseits das Artenschutz-Volksbegehren umzusetzen, sogar noch mehr Umweltschutz draufzulegen, andererseits aber die teils verärgerten Landwirte in Bayern zu befrieden. Vom „Beginn eines neuen Generationen- und Gesellschaftsvertrags“ erzählt Söder sogar. Er gelobt: „Das ist nicht eine taktische Überlegung, sondern muss innere Überzeugung werden.“

Eckpunkte des Pakets sind bereits durchgesickert. Landwirte sollen mehr Ausgleichszahlungen bekommen, wenn sie Randstreifen und „grüne Oasen“ auf Agrarflächen nicht mehr bewirtschaften. „Wenn wir Naturschutz haben wollen, geht es nur mit der Bauernschaft, nicht gegen sie“, sagt Ministerin Michaela Kaniber (CSU). Die sechs Öko-Modellregionen werden um 15 weitere aufgestockt. Insgesamt soll der Öko-Anbau jedes Jahr um zwei Prozentpunkte anwachsen. Jungbauern erhalten Fördermittel für Beratung und Gründer-Training. Streuobst-Wiesen werden verstärkt gefördert. Der Staat verpflichtet sich, entlang Gewässern auf eigenen Flächen sogar zehn Meter „blühende Randstreifen“ wachsen zu lassen; und den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in den nächsten zehn Jahren zu halbieren. Der Flächenverbrauch in Bayern soll auf fünf Hektar pro Tag sinken, das als zunächst freiwilliges Ziel.

Hinzu kommen mehrere symbolische Schritte. Das Kantinen-Essen eben, oder die Vorgabe, auf staatlichen Flächen ganz auf Laubbläser zu verzichten. Sogar das Licht will der Staat künftig brav ausmachen. Ab 23 Uhr sollen Kirchen, Denkmäler, Sehenswürdigkeiten in der Regel nicht mehr angestrahlt werden. Das spart Strom und zieht weniger Insekten an.

Ein ausformuliertes Maßnahmenpaket legt die Regierung noch nicht vor. Darauf dringt dem Vernehmen nach auch sehr deutlich Alois Glück als Gast im Kabinett. Der frühere Landtagspräsident (CSU) leitet den Runden Tisch, der die Verwerfungen nach dem Artenschutz-Volksbegehren lindern soll; dieses Gremium tagt bis 26. April weiter und mag sich nicht von Söder vor vollendete Tatsachen stellen lassen. Glück mahnt intern eindringlich, das Thema Umweltschutz sehr ernst zu nehmen.

Deshalb sind auch die Kostenschätzungen vage. Söder sprach zuletzt von 75 Millionen Euro, im Kabinett ist von einer dreistelligen Millionensumme die Rede.

Der Trägerkreis des Volksbegehrens ist mit den ersten Vorschlägen zufrieden. „Ein gutes Fundament für mehr Umweltschutz in Bayern“ sei das. Die Grünen fordern eine verbindliche Obergrenze für den Flächenverbrauch, der Bund Naturschutz mahnt, möglichst auch die Kommunen mit ihren Parks und Flächen einzubeziehen.

Artikel 9 von 11