Rom – Jetzt haben es die Populisten schwarz auf weiß: Die italienische Zentralbank hat vorgerechnet, dass der ohnehin immense Schuldenstand des Landes auf 132,2 Prozent explodiert ist. Ein neuer Negativrekord. Gleichzeitig sinkt das Wachstum: Magere 0,2 Prozent prognostizieren einhellig EU, OSZE und Internationaler Währungsfonds dem drittgrößten Euro-Staat, Tendenz sinkend.
Die milliardenschweren Wahlversprechen und Sozialprogramme der Koalition aus Cinque Stelle und Lega entfalten nach nur zehn Monaten im Amt ihre ganze Wirkung: Italien steht erneut am finanziellen Abgrund. Matteo Salvini und Luigi Di Maio, Chefs der rechtsextremen Lega und der antieuropäischen Grillini, ficht das nicht an. Im Kabinett steht das Lieblingsprojekt der Lega zur Verabschiedung an: die „Flat Tax“.
Zwölf Milliarden Euro soll nach Schätzungen aus dem Finanzministerium der Gesetzentwurf kosten, an dem die Regierung arbeitet. Das Modell sieht statt einer linearen Progression (wie etwa in Deutschland) einen einheitlichen Steuersatz vor, gestaffelt in zwei Stufen. Bis zu 50 000 Euro Jahreseinkommen würden pauschal 15 Prozent fällig, darüber 20 Prozent. Da das Durchschnittseinkommen niedriger als im EU-Schnitt liegt, dürfte ein erheblicher Teil der Bürger profitieren. Doch der Preis wäre hoch: Ohne eine drastische Erhöhung der ohnehin saftigen Mehrwertsteuer von 22 Prozent und anderer Verbrauchssteuern ist die Wohltat, so das Finanzministerium, nicht zu finanzieren.
Das aber wollen die Populisten unbedingt vermeiden, erst recht mitten im Europawahlkampf. Schon jetzt muss der parteilose Finanzminister Giovanni Tria fast 23 Milliarden Euro einsparen, um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden. An seine Kollegen richtet er deshalb eine deutliche Warnung: „Wir sollten jetzt zuallererst ans Wachstum denken.“ Rücktrittsgerüchte machen seit geraumer Zeit die Runde, Tria gilt als amtsmüde.
In Brüssel verfolgt man die Auseinandersetzungen mit Argwohn. Salvini, der gerade an einer Front der europäischen Nationalisten bastelt, passt das in die Propaganda. Bedenken fegt er vom Tisch: „Es geht nicht um Zahlenspiele. Wir wollen die Regeln in Europa grundsätzlich verändern.“ INGO-MICHAEL FETH