München – Kurz vor Silvester läuft im Fernsehen fast in Dauerschleife der großartige Sketch „Dinner for One“. Butler James muss das jährliche Geburtstagsessen für Miss Sophie ausrichten, in Ermangelung von Gästen aber alle Gläser selbst leeren. „The same procedure as last year?“, lallt er vor jeder Runde zunehmend verzweifelt, und sie antwortet immer gnadenlos: „Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr, James“.
Es sind geflügelte Worte, die Bayerns stets nüchterner Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun mit einer gewissen Schroffheit aufgreift. Als „gleiche Prozedur wie jedes Jahr, wie bei Dinner for One“, verspottet Söder den Jahresbericht des Obersten Rechnungshofs. Der Prüfbericht als leeres Ritual, Täuschung unter Alkoholeinfluss – das ist schon ein harter Vergleich. Er zeigt vor allem, wie groß das Ausmaß des Ärgers in der Staatsregierung über die Kritik des ORH ist. „Es ist nichts Neues“, sagt Söder noch, „aber man wundert sich jedes Mal.“
In seinem Jahresbericht, gestern offiziell publik gemacht, kritisiert der ORH, dass Bayern 3,7 Milliarden Euro aus der Rücklage verplant, um die riesigen Mehrausgaben stemmen zu können. Auch werde zu wenig in die Schuldentilgung gesteckt, obwohl es Entlastung beim Länderfinanzausgleich gab. Anders als erklärt, würden finanzielle Spielräume nicht für den Abbau von Schulden genutzt, moniert ORH-Präsident Christoph Hillenbrand. Seine Prüfer listen auf, dass Bayern stattdessen Familiengeld, Pflegegeld und die neuen Kindergarten-Zuschüsse auflege, sogar die neuen Beauftragten der Staatsregierung werden als Kostenfaktor aufgeführt.
Tatsächlich kommt diese Kritik inzwischen jedes Jahr. Schon unter Ministerpräsident Horst Seehofer (Finanzminister: Söder) verfehlte Bayern meist das selbstgesteckte Ziel, die Ausgaben um maximal drei Prozent zu steigern. Nur manchmal waren externe Gründe schuld – Milliardenausgaben für Asylbewerber zum Beispiel.
Solche Kritik erbost die CSU oft. Legendär ist die Drohung aus der CSU-Fraktion vor einigen Jahren, den Rechnungshof nach Wunsiedel strafzuversetzen. Das mag heute keiner mehr wiederholen. Fraktionschef Thomas Kreuzer belehrt den ORH allerdings schriftlich, es sei „nicht seine Aufgabe, eine Regierungserklärung für die künftigen Schwerpunkte der Landespolitik abzugeben“. Die Haushalts-Hoheit liege beim Landtag, der „vom Volk dazu den Auftrag erhalten hat“. Investitionen in Familie und Kinderbetreuung habe der ORH nicht zu kritisieren. Es ist der Hinweis, wer hier Boss und wer Butler sein soll.
Auch Söder klagt, der ORH habe eine zu einseitige Sichtweise auf einen Gesamtkomplex. Bei Niedrigstzinsen Geld in die Rücklage zu packen, hieße, sich der Zukunft zu verweigern. „Wir sind ein Land ohne kaltes Herz.“
Die Opposition sieht sich indes bestätigt. „Der Haushalt der Söder-Regierung gerät nun auch amtlich in eine strukturelle Schieflage“, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Staatliche Dauerzahlungen, die eigentlich sozialen Zwecken dienen sollten, würden unterschiedslos auch an Gutverdiener ausgeschüttet. Der Wohnungsbau und die Qualitätsverbesserung der Kinderbetreuung würden vernachlässigt.
„CSU und Freie Wähler plündern die Rücklagen zur Finanzierung ihrer Wahlgeschenke“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Er wirft SPD und Grünen vor, über Ausgaben zu klagen, aber selbst noch mehr Geld ausgeben zu wollen. Das wäre dann wie Butler James in „Dinner for One“, der nach 15 Gläsern Alkohol auch noch die Blumenvase austrinkt. cd