München – Die Gemeinde Eslohe ist stolz auf ihren Status als Luftkurort. Hier, im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge, zwischen weitläufigen Parkanlagen und mit Blick auf 200 Jahre alte Fachwerkhäuser liegt ein Fleckchen Erde, das mit knapp 9000 Einwohnern überschaubar ist und wo man seine idyllischen Seiten zu betonen weiß. Auf der eigenen Website heißt es, Eslohe biete die „ideale Landschaft für Gäste, die Ruhe, Erholung und gute saubere Luft (…) brauchen“.
Nun gut, das mit der Ruhe und Erholung ist ein frommer Wunsch bei Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz. Aber wenn die CDU-Bundesvorsitzende und ihr unterlegener Herausforderer morgen Abend in der Schützenhalle von Eslohe zusammentreffen und sich damit so nahe kommen wie seit der Abstimmung von Hamburg nicht, darf davon ausgegangen werden, dass keinerlei atmosphärische Störungen das Klima trüben werden. Dafür spricht schon die Tatsache, dass beide hier sind. Im Sauerland, das ganz eindeutig Merz’ Revier ist, dessen Geburtsort Brilon nur 40 Kilometer von Eslohe entfernt liegt.
Als der CDU-Kreisverband Ende März zu der Veranstaltung mit dem Titel „Aufbruch für Europa“ einlud, fehlte der Name Merz noch. Kramp-Karrenbauer, hieß es, wolle Peter Liese, den nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten für die Europawahl, unterstützen. Es dauerte dann aber nicht lange, ehe auch Merz ins Programm geholt wurde. Er übernimmt nun die Anmoderation.
Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer Annäherung zweier Personen, die sich vor vier Monaten schon einmal nah waren, aber unter ganz anderen Vorzeichen. Mit 52 zu 48 Prozent setzte sich AKK im Rennen um den CDU-Vorsitz durch. Noch vor Ende des Parteitages verließ Merz die Veranstaltung. Er wirkte wie ein Mann, der sehr schnell sehr viel gewollt hatte und nun, da ihm der Wunsch verwehrt worden war, das Weite suchte.
Diesen Eindruck bestätigte er wenige Wochen später mit dem nachdrücklichen Hinweis, er traue sich ein Ministeramt zu – wenn er denn gefragt werde. Es klang wie eine Bewerbung, wenn auch keine ganz eilige. Dafür ist sein Verhältnis zu Angela Merkel, die ihm einst den Fraktionsvorsitz streitig machte, zu angespannt. Aber, und das zeigte sich gerade in Hamburg deutlich: Die Zeit nach Merkel hat längst begonnen.
Die FAZ berichtete gestern, Merz gehe mit seinen Ambitionen mittlerweile intern sehr viel offener um und strebe ausdrücklich ein Ministeramt – in einer Regierung Kramp-Karrenbauer – an, mutmaßlich das Wirtschaftsressort. Die Parteichefin hat zuletzt mehrfach erklärt, dass sie mit Merz in Kontakt stehe und dessen Ratschläge schätze. Seine Wirtschaftskompetenz würde ein potenzielles Kabinett aufwerten. Davon abgesehen weiß sie, dass Merz’ 48 Prozent von Hamburg zwar nicht zum Sieg gereicht haben mögen, dass sie aber unbestritten eine Hausnummer sind.
Derzeit leitet Peter Altmaier das Wirtschaftsministerium, doch viel Freude haben ihm die letzte Tage nicht bereitet. Die Kritik an ihm wächst stetig, parallel werden die Rufe nach Merz lauter. Der meldete sich gestern über Twitter mit dem Hinweis, anders als berichtet habe er sich zu Altmaier und dessen Arbeit nicht geäußert. Er sagte hingegen nicht, dass er hinter Altmaier stehe. Der Minister wird solche Feinheiten einzuordnen wissen. So wie die Annäherung im Sauerland, in Merz’ Revier.