Verschiebung des Brexits

Mays gefährliche Europawahl

von Redaktion

MIKE SCHIER

Mitunter birgt das ewige Drama um den Brexit komödiantische Züge: Nun soll der Austritt also am 31. Oktober erfolgen. Halloween. Doch ob es wirklich an diesem Gruseldatum und – mehr noch – ob es überhaupt zu einem wie auch immer gelagerten Brexit kommt, scheint offener denn je. Ein halbes Jahr lang haben die zerstrittenen Politiker in London nun Zeit für Intrigen. Schon im Mai könnte es zum Schwur kommen, sollten die Tories – welch Ironie! – ausgerechnet bei der Europawahl Schiffbruch erleiden. Umfragen sehen sowohl Labour als auch die extreme Rechte gestärkt. Mays Regierungspartei droht in den Sog des Brexit-Strudels gezogen zu werden. Wie es dann weiterginge, kann niemand seriös sagen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Beteiligung der Briten an der Wahl die Kräfteverhältnisse auch innerhalb der EU beeinflusst. Der absehbare Labourerfolg droht für den Niederbayern Manfred Weber zum Problem zu werden, der als Spitzenkandidat der konservativen EVP schon wie der Sieger aussah. Dank Labour bekommt Widersacher Frans Timmermans plötzlich Rückenwind.

Auch jenseits der Wahl drohen neue Konfliktlinien in der Union. Bemerkenswert lange schon stehen alle verbliebenen EU-Länder wie ein einheitlicher Block den Briten gegenüber. Beim Gipfel in der Nacht zu Donnerstag zeigten sich erstmals Risse im Bündnis, nicht zuletzt zwischen Frankreich und Deutschland. Offen ist, wie lange die Geduld von Emmanuel Macron hält. Offen ist auch, ob die EU in der Zwischenzeit die Kraft hat, andere offene Fragen anzugehen. Stichwort: Migration. Der Brexit bleibt eine Rechnung mit sehr vielen Unbekannten.

Mike.Schier@ovb.net

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