KATRIN WOITSCH
Vor zehn Jahren hat Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Uno unterschrieben. Doch von der Bundestagswahl im Herbst waren noch immer 85 000 Menschen ausgeschlossen, die in ihrem Alltag auf Betreuung angewiesen sind. Und obwohl das Gesetz nun endlich geändert wurde, war erst ein weiteres Urteil in Karlsruhe nötig, damit diese 85 000 Menschen jetzt bei der Europawahl wählen dürfen. Die Große Koalition wollte Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilhabe am politischen Leben erst ab Juli ermöglichen.
Für eine Regierung, die in ihrem Koalitionsvertrag betont, dass Menschen mit Behinderung in allen Bereichen des Lebens selbstverständlich dazugehören, ist es ein Armutszeugnis, über den richtigen Zeitpunkt für diese Teilhabe zu diskutieren. Viel wichtiger wäre eine Debatte darüber, welche Hilfen nötig sind und welche bürokratischen Hürden abgebaut werden müssen, damit es so schnell wie möglich gelingt. Noch immer sind nicht alle Wahllokale für alle Menschen barrierefrei. Noch immer werden Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen im Wahlkampf vergessen. Auch die Parteien müssten sich viel mehr Gedanken machen, wie sie ihre Programme allen zugänglich machen können.
Das Wahlrecht ist das fundamentalste Recht in einer Demokratie. Die Entscheidung, es allen erwachsenen Bürgern in unserer Gesellschaft zuzugestehen, war mehr als überfällig. Die Debatte über den richtigen Zeitpunkt hingegen zeigt leider, dass Inklusion auch im Jahr 2019 noch alles andere als selbstverständlich ist.
Katrin.Woitsch@ovb.net