von Redaktion

Gewerkschafts-Vize Radek über die schwierige Umsetzung der Beschlüsse der Bundesregierung

München – Die Bundesregierung will mehr Abschiebungen durchführen. Umsetzen muss solche Vorgaben die Polizei. Im Interview erklärt der für die Bundespolizei zuständige Vize der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Polizeihauptkommissar Jörg Radek, wie emotional belastend solche Einsätze auch für die Polizisten sind.

Im vergangenen Jahr gab es 31 000 gescheiterte Abschiebe-Versuche. Woran scheitern Rückführungen?

Die Widerstandshandlungen nehmen an Intensität zu. Wo man vor fünf Jahren jemanden hatte, der sich etwas widerborstig gezeigt hatte, gibt es heute Selbstverstümmelungen, Attacken gegen Polizeibeamte, da ist Bespucken noch das Harmloseste. Aber es gilt der Grundsatz: Keine Rückführung um jeden Preis. Es gab in den 90er-Jahren zwei Todesfälle.

Hat sich rumgesprochen, dass man in Deutschland bleiben darf, wenn man Widerstand leistet?

Darauf sind unsere Kollegen geschult, festzustellen: Ist das nur ein bisschen Widerstand? Wir sprechen hier von massiven Widerständen! Wir haben auch Fesslungsinstrumente, um die Arme zu fixieren. Eine neue Qualität ist hingegen, dass sich die Menschen selbst Leid antun, um hier bleiben zu dürfen.

Daraus spricht große Verzweiflung. Haben Sie Verständnis, dass sich die Menschen nicht freiwillig abschieben lassen?

Da gibt es sehr vielschichtige Gefühle bei uns Polizisten. Auf der einen Seite haben wir ein rechtsstaatliches Verfahren, das durchgeführt werden muss. Auf der anderen Seite ist da ein Mensch, dessen Träume auf ein Leben in Deutschland in diesem Moment zerplatzen. Das ist eine hoch emotionale Situation – auch für die Polizisten.

Gibt es Polizisten, die sich weigern, Abschiebungen durchzuführen?

Wir haben grundsätzlich das Freiwilligkeitsprinzip. Die Kollegen sind sich ihrer Verpflichtung bewusst – was sie aber beklagen, sind die Arbeitsbedingungen: Die Arbeitszeiten, die Planungen der Flüge – da werden aus finanziellen Gründen keine Direktflüge genommen, sodass sie schwierige Situationen im Transferbereich eines Drittlandes meistern müssen. Auf der einen Seite betont die Politik, wie wichtig diese Aufgabe ist – aber auf der anderen Seite lässt man die Polizisten mit den Folgen allein.

Wenn die Polizisten mit dem Abschiebehäftling am Ziel gelandet sind – wie geht es dann weiter?

Im Regelfall soll der Ausreisepflichtige den einheimischen Behörden übergeben werden. Doch bei innereuropäischen Rückführungen etwa nach Italien haben unsere Polizisten schon erlebt, dass keine italienischen Kollegen da waren. Dann müssen wir erst einmal einen Verantwortlichen suchen. Den Ausreisepflichtigen am Flughafen alleine lassen, das machen wir nicht.

Eine Art, sich der Abschiebung zu entziehen, ist das Abtauchen. Wie findet die Polizei diese Leute?

Da wird gefahndet, an den Arbeitsstätten, an Adressen, die wir aufsuchen. Das hat zugenommen, da muss der Staat mit einer Residenzverpflichtung handeln. Aber wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen, die der Staat hier ergreift, mit unseren rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar sind.

Wie beurteilen Sie Seehofers „Geordnetes-Rückkehr-Gesetz“ insgesamt?

Das Gesetz zielt in Rechtsbereiche hinein, über die wir eine gesellschaftliche Debatte führen müssen. Es darf nicht dazu führen, dass Leute ausgewiesen werden, die kein ordentliches Gerichtsverfahren bekommen haben. Wenn die Bundespolizei mehr Befugnisse erhalten soll, muss das zudem in Einklang gebracht werden mit unserer Verfassung: Polizei ist schließlich Ländersache.

Interview: Klaus Rimpel

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