München – Sie trägt die Haare zum Pferdeschwanz gebunden, ihr Make-up ist tadellos, und die Kombination aus Bluse und Jackett geht als Businesslook selbstverständlich durch. Auf dem Profilfoto, das Omaima A. im Karrierenetzwerk LinkedIn verbreitet, sieht sie aus, wie Frauen eben aussehen, wenn sie als Dolmetscherin und Eventmanagerin auf den ersten Blick einen guten Eindruck machen möchten. Das gelingt ihr. Allemal besser als vollverschleiert und mit Waffe.
Es sind zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier das friedliche Hamburg, wo man sich mit einer guten Ausbildung oder auch nur dem Gespür für die passende Nische durchaus etablieren kann. Dort das syrische Kriegsgebiet, wo alle Regeln menschlichen Miteinanders außer Kraft gesetzt sind. Omaima A. (34) kennt beide Welten. Und dass sie nun schon eine ganze Weile wieder in ihrer Geburtsstadt Hamburg lebt, ohne nennenswert behelligt zu werden, ist nur das vorerst letzte von vielen schockierenden Kapiteln.
Die Journalistin Jenan Moussa, die für den in Dubai ansässigen Sender Al Aan TV arbeitet, hat diese Woche einen Beitrag über Omaima A. veröffentlicht. Sie zeichnet den Weg der Deutschen mit tunesischen Wurzeln nach, ihre 2011 beginnende Radikalisierung, zwei Ehen mit Dschihadisten der Terrormiliz IS, ihren mindestens einjährigen Aufenthalt in Syrien und die Rückkehr. Im Herbst 2016 war das, und seitdem hat sie sich und ihren drei Kindern eine bürgerliche Existenz aufgebaut. So weit man das bei jemandem sagen kann, der Tod und Vernichtung aus unmittelbarer Nähe miterlebt hat und der die Ideologie des selbst ernannten Islamischen Staates offensichtlich vorbehaltlos teilte.
Über eine Quelle kam Jenan Moussa an die Handydaten von A. 36 Gigabyte, die detailliert Auskunft geben über den fatalen Weg, den die junge Hamburgerin einschlug. 2012 führt er sie nach Frankfurt. Sie heiratet den Islamisten Nadir Hadra und bekommt zwei Kinder (eine Tochter hat sie aus einer früheren Ehe). Der bekennende Salafist bricht irgendwann nach der Hochzeit Richtung Syrien auf, seine nun vierköpfige Familie folgt ihm im Januar 2015. Schon bald fällt das den deutschen Behörden auf. Auf A.’s Telefon findet sich die Kopie eines Schreibens des Frankfurter Jobcenters, das ihr die Leistungen streicht. Begründung: „Ausreise ins Ausland (Syrien).“
Es sind beklemmende Aufnahmen, die Jenan Moussa in ihrem Film zeigt. Omaima A. und ihre Kinder posieren mit IS-Terroristen wie dem Berliner Denis Cuspert und dem Österreicher Mohamed Mahmoud, der 2015 in Palmyra vor laufender Kamera zwei Gefangene hinrichtete. Auf einem Foto hat A.’s Sohn einen Schnuller im Mund. Auf dem nächsten trägt er Tarnkleidung und eine Waffe. Auch A. selbst ist mit Gewehr zu sehen.
Ihr Familienglück, wenn man es denn so nennen möchte, währt nicht lange. Sechs Wochen nach ihrer Ankunft stirbt Nadir Hadra. Seine Witwe erhält vom IS 1310 Dollar Entschädigung, den Status als „Frau eines Märtyrers“ und die Erlaubnis, von Rakka nach Homs zu ziehen. Dort heiratet sie Cuspert, den Freund ihres Ehemannes.
Manches an der Geschichte erscheint verworren, manches ist unklar. Von Cuspert hieß es bisher, dass er von 2014 bis zu seinem Tod 2018 mit einer FBI-Agentin verheiratet war, die eigentlich gegen ihn ermitteln sollte. Dennoch trägt Omaima A. ab Mitte 2015 einen zweiten Goldring am Finger. Ihre Spur verliert sich Ende 2015, als die Angriffe der Anti-IS-Koalition immer heftiger werden.
Ein Dreivierteljahr später taucht sie in Deutschland wieder auf. „Jetzt lebt sie dort, als ob nie etwas passiert wäre“, wundert sich Moussa. Die Polizei teilt lediglich mit, der Sachverhalt sei ihr bekannt, und verweist an die Generalbundesanwaltschaft. Der bloße Aufenthalt in Syrien gilt nicht als Straftat. Verantworten muss sich A. erst, wenn sie an Waffen ausgebildet wurde oder Mitglied in einer terroristischen Vereinigung war. Beides scheint der Film zu belegen. Die Nähe zu führenden IS-Kämpfern jedenfalls wird Omaima A. nicht leugnen können.