Washington – „Oh mein Gott. Schrecklich. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin gef . . . t.“ Mit drastisch-obszönen Worten soll sich Donald Trump, glaubt man dem Bericht von Sonderermittler Robert Mueller, gegenüber seinem früheren Justzminister Jeff Sessions geäußert haben, als er von der Aufnahme der Russland-Ermittlungen im Frühjahr 2017 erfahren hatte. Die pessimistische Vision hat sich bisher nicht erfüllt. Vielmehr zieht der nun dem Kongress zugeleitete 448-Seiten-Bericht Muellers das Fazit, eine Koordination von Trump und seinem Team mit Moskau zum Zwecke des Wahl-Gewinns habe es nicht gegeben.
Doch gleichzeitig enthält das Papier, das in Teilen vom Justizminister geschwärzt wurde, auch Hinweise auf fast ein Dutzend Vorgänge, mit denen Trump Muellers Ansicht nach die Untersuchung behindern oder unterbinden wollte. Die Konsequenzen daraus wollte der Sonderermittler nicht juristisch ziehen, sondern dem US-Kongress auf politischer Ebene überlassen – was nun die Forderungen nach einem Amtsenthebungsverfahren neu aufkommen ließ. Jennifer Palmieri und Brian Fallon etwa, die früheren Sprecher von Trumps Gegnerin Hillary Clinton, forderten, schnellstens Anhörungen für ein „Impeachment“ zu eröffnen.
Nancy Pelosi, Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, warnte erneut vor einem übereilten Amtsenthebungsverfahren. Sie will Mueller vom Kongress öffentlich anhören lassen. Scharfe Kritik übte Pelosi an Justizminister William Barr, der nach Ansicht der Demokraten vor vier Wochen den Mueller-Bericht extrem positiv für Trump resümiert hatte.
Über die Bewertungen Muellers zur Frage einer Moskau-Kooperation und einer Justizbehinderung hinaus stellt der Text indirekt auch ein Psychogramm Trumps dar, das diesem gar nicht lieb sein dürfte. Denn es lassen sich Schlüsse ziehen, die sich angesichts der oft durchscheinenden Dysfunktionalität des Weißen Hauses direkt auf die immer häufiger gestellte Frage der Eignung für das Amt anwenden lassen.
Der Bericht beschreibt einen Präsidenten, der immer wieder von Mitarbeitern vor sich selbst und seinen zweifelhaften moralischen Maßstäben gerettet werden musste. So beauftragte Trump den damaligen Chefanwalt des Weißen Hauses, Don McGahn, den ihm so lästigen Sonderermittler Mueller zu feuern. Gleichzeitig sollte sein Berater Corey Lewandowski den früheren Justizminister Sessions bedrängen, die Russland-Untersuchung streng zu limitieren.
Sowohl McGahn wie auch Lewandowski weigerten sich, weil sie deutlich den Straftatbestand einer Justizbehinderung am Horizont sahen. Unterm Strich handelte Trump immer wieder in einer deutlichen ethischen Grauzone – aber überschritt, so sieht es jedenfalls Mueller, dabei keine Grenzen zur Strafbarkeit.
Geholfen hat dem Präsidenten auch sein angeblich mangelhaftes Erinnerungsvermögen. Nachdem Muellers Staatsanwälte Trump schriftlich brisante Fragen übermittelt hatten, formulierte der Präsident in mehr als 30 Fällen: „Ich erinnere mich nicht.“ Von einem persönlichen Interview sahen die Ermittler danach ab, weil sie kaum Chancen auf neue Erkenntnisse sahen.
Vor dem Abflug in den Oster-Kurzurlaub in Florida gab Trump am Donnerstag erneut den Unschuldigen. Er habe das Recht gehabt, die „Hexenjagd“ zu beenden, wenn er wollte, schrieb der Präsident auf Twitter. Er hätte jeden, darunter auch Mueller, entlassen können. Er habe sich dagegen entschieden. Mit dieser Argumentation setzt Trump weiter auf die Taktik, durch seine Teil-Kooperation und die Duldung der Ermittlungen den Eindruck zu erwecken, er habe nichts zu verbergen.
Eine „Hexenjagd“, sagt Trump erneut