Athen/Berlin – Mehr als sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges will Griechenland noch einmal versuchen, Reparationszahlungen für die von Deutschland verursachten Schäden zu erhalten. Das hat am Mittwoch das griechische Parlament beschlossen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem neuen Vorstoß.
Warum stellt Griechenland die Forderungen jetzt?
Die griechischen Forderungen sind nicht neu. So sprach ein griechisches Gericht bereits 1997 Nachkommen der Opfer knapp 29 Millionen Euro zu. Laut BGH verstieß das Urteil aber gegen den Völkerrechtsgrundsatz der Staatenimmunität. Reparationsforderungen wurden zudem während der Finanzkrise laut. 2016 drohte Athens damaliger Justizminister sogar damit, in Griechenland deutsches Eigentum zu beschlagnahmen. Ministerpräsident Alexis Tsipras sagt nun, er habe bewusst das Ende der internationalen Hilfsprogramme abgewartet, um die Themen nicht zu vermischen.
Wie setzen sich die Forderungen zusammen?
Es gibt viele verschiedene – auch internationale – Berechnungen der Gesamtsumme, sie liegen zwischen 250 und 400 Milliarden Euro. Der griechische Staat geht von rund 270 bis 300 Milliarden Euro aus und verweist auf die Untersuchung einer Expertenkommission. Enthalten seien darin Zahlungen für Kriegsschäden und -verbrechen sowie ein Zwangskredit, den das Nazi-Regime den Griechen abverlangt hatte.
Wurde die Kriegsschuld denn nie beglichen?
1953 verschob das sogenannte Londoner Schuldenabkommen die Regelung deutscher Reparationen auf die Zeit nach Abschluss eines „förmlichen Friedensvertrages“. Ende der 1950er-Jahre vereinbarte Deutschland zur Wiedergutmachung für NS-Unrecht Entschädigungsabkommen mit zwölf Ländern. Athen bekam 1960 Reparationen in Höhe von 115 Millionen D-Mark. Schon in diesem Vertrag war laut Bundesregierung festgehalten, dass die Wiedergutmachung abschließend geregelt sei.
Heute verweist die Bundesregierung auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Was hat es damit auf sich?
Der Vertrag, der zur deutschen Wiedervereinigung geschlossen wurde, behandelt das Thema Reparationen nicht explizit. In einem Papier der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von 2017 heißt es jedoch: „Nach Ansicht der Bundesregierung regelt der Vertrag gleichwohl auch Reparationsansprüche.“
Wie geht es nun weiter?
Griechenland will zunächst eine sogenannte Verbalnote an Deutschland schicken, um das Thema zu verhandeln. Dieses Anliegen dürfte von der Bundesregierung zurückgewiesen werden. Dann geht es um die Frage, ob der Internationale Gerichtshof in Den Haag zuständig sein könnte. Juristen sind sich uneins.
Stellen auch andere Länder Reparationsforderungen an Deutschland?
Auch aus Polen könnten demnächst Forderungen kommen. Das Parlament in Warschau hat zu dem Thema eine Kommission eingesetzt, dessen Vorsitzender am Donnerstag forderte, sich den griechischen Beschluss zum Vorbild zu nehmen. Offizielle Ansprüche der Regierung gab es bisher aber nicht.