Zwischen Süßwaren und Drogentest

von Redaktion

Bizarrer Kampf ums Präsidentenamt in Kiew

VON ANDREAS STEIN UND ULF MAUDER

Kiew – Im Wahlkampf um das Präsidentenamt in der in die EU strebenden Ukraine jagt eine Kuriosität die nächste. Vor laufenden Kameras unterzogen sich Präsident Petro Poroschenko und sein Herausforderer, der Komiker und hohe Favorit Wolodymyr Selenskyj, etwa Bluttests auf Drogen und Alkohol. Der 53 Jahre alte Präsident versucht, den Schauspieler (41) als koksende russische Marionette hinzustellen.

Was den rund 30 Millionen Wahlberechtigten in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik vor der Abstimmung am 21. April um das mächtigste Amt des Landes geboten wird, gilt als beispielloses politisches Spektakel. „Das Ende“ steht auf einem Plakat, auf dem Poroschenko aus dem Bild – oder aus dem Amt – läuft.

Wenn der Westen an diesem Sonntag Ostern feiert, ist das nach allen Umfragen das mögliche Ende der fünfjährigen Präsidentschaft eines einstigen großen Hoffnungsträgers. Der durch ein Süßwarenimperium reich gewordene Poroschenko war 2014 im Zuge der proeuropäischen Proteste auf dem Maidan in Kiew an die Macht gelangt. Viel Blut ist seither geflossen. Mehr als 100 Menschen starben im Frühjahr vor fünf Jahren in Kiew. Im Kriegsgebiet in der Ostukraine sind UN-Angaben zufolge mehr als 13 000 Menschen gestorben.

Nach dem Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch gab es Hoffnung in dem verarmten Staat auf einen prowestlichen Kurs für mehr Wohlstand. Doch in diesem aufgeheizten Wahlkampf sieht sich der Millionär Poroschenko bisweilen sogar in Häftlingskleidung hinter Gitterstäben karikiert. So wird aktuell etwa der ukrainische Rüstungskonzern Ukroboronprom von einem Korruptionsskandal erschüttert – mit möglichen Verbindungen ins Umfeld des Präsidenten.

Das Militär gilt als wichtige Machtbasis für Poroschenko, der die Armee im Konflikt mit Russland wieder zu Stärke geführt hat. Sein Versprechen aber, den vor fünf Jahren begonnenen Krieg zwischen Regierungstruppen und aus Russland unterstützten Separatisten im Industriegebiet Donbass zu beenden, hat er nicht erfüllt. Stattdessen sind viele Menschen ärmer als vor den Protesten.

Da stieß es auch manchen Kommentatoren in der Ukraine sauer auf, dass die hier als Freundin der Ukraine geschätzte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nur den angeschlagenen Präsidenten kurz vor der Abstimmung in Berlin empfing. Den Vorwurf der Wahlkampfhilfe wollte sie zwar nicht gelten lassen. Aber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfing zusätzlich auch noch Selenskyj, nachdem der im ersten Wahlgang am 31. März Poroschenko mit riesigem Abstand abgehängt hatte.

Beide Kandidaten trafen am Freitagabend im Olympia-Stadion in Kiew aufeinander. Zu Beginn des Rede-Duells gab es ein Händeschütteln. Dann wiederholten sie vor Tausenden Zuschauern eine Stunde lang bekannte Attacken. „Ich bin einfach ein normaler Mensch, der gekommen ist, um dieses System zu stürzen“, sagte Selenskyj. Umfragen sehen ihn bei über 70 Prozent.

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