Regierung in der Krise: Chaostage in Rom

von Redaktion

VON INGO-MICHAEL FETH

Rom – „Es war ein langer und anstrengender Tag, wir sollten jetzt besser aufhören.“ Mit diesen Worten brach Premier Giuseppe Conte die Kabinettssitzung um Mitternacht ab und schickte seine Minister nach Hause. Vielleicht hat er damit die Regierung vor dem sofortigen Ende bewahrt.

Vorausgegangen war ein Treffen im Palazzo Chigi, bei dem die Nerven, so Teilnehmer, blank lagen. Das heißeste Eisen, nämlich Korrekturen am aus dem Ruder laufenden Haushalt, hatte man vorsorglich wegen Uneinigkeit von der Tagesordnung abgesetzt. Auch zahlreiche andere Projekte liegen aus Mangel an Gemeinsamkeiten seit Wochen auf Eis. Nun ging es um die Verabschiedung des Plans „Salva Roma“ (Rettet Rom), um der klammen Hauptstadt aus der Patsche zu helfen. Kaputte Straßen, marode Busse, Unrat in den Straßen – die Zustände in der Weltmetropole spotten jeder Beschreibung.

Seit acht Monaten sind die wichtigsten Metrostationen im historischen Zentrum, etwa an der Spanischen Treppe, gesperrt; die Rolltreppen drohen einzustürzen. Zwei von drei großen Mülldeponien sind wegen Überfüllung geschlossen, die Stadt erstickt im Dreck. Beim kleinsten Gewitter sind unzählige Straßen wegen Überflutung nicht passierbar; die Gullys wurden seit Jahren nicht mehr gereinigt. Die Schlaglochpisten sind für Autofahrer wie Motorräder lebensgefährlich. Die Stadtverwaltung ist korrupt und ineffizient, Oberbürgermeisterin Virginia Raggi von den 5 Sternen völlig überfordert.

Die Zeche zahlen die Bürger. Mit dem Dekret sollten die schlimmsten Mängel behoben und die Schuldenlast erleichtert werden. Lega-Chef Matteo Salvini machte dem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung. Der „Rettet Raggi-Plan“, so spottete er vor Beginn der Sitzung, werde seine Zustimmung nur erhalten, wenn dieselben Vergünstigungen künftig für alle Kommunen des Landes gälten. Eine Bevorzugung Roms lehnte er ab.

Damit hatte er die Vorlage beerdigt noch bevor sie überhaupt beraten werden konnte. Die Grillini kochen. Dem sonst so geduldigen Regierungschef Conte platzte der Kragen: „Wage das nicht noch mal“, soll er seinen Vize angefahren haben. „Das hier ist ein kollegiales Organ. Zuerst wird gemeinsam beraten, danach verkündet.“ Und auch der Übervater der Populisten, Beppe Grillo, meldete sich via Twitter zu Wort: „Wer das Amt des Innenministers von Italien versieht, dem Königreich der organisierten Kriminalität, der sollte nicht schwadronieren, sondern sich um die echten Herausforderungen des Landes kümmern.“

Worauf Grillo anspielte, war klar. Die Lega ringt seit zwei Wochen mit einem Korruptionsskandal in den eigenen Reihen. Ihr Vizeminister für Infrastruktur und Verkehr, Armando Siri, wird beschuldigt, von einem zwielichtigen Bauunternehmer aus dem Süden Bestechungsgelder in Millionenhöhe für öffentliche Ausschreibungen erhalten zu haben. Die Justiz hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Siri weist jeden Verdacht von sich und klammert sich an seinen Sessel. Salvini gibt sich empört und wittert eine Verschwörung. Die Spitzen der 5-Sterne-Bewegung fordern hingegen einen sofortigen Rücktritt des Salvini-Vertrauten. Schließlich sei man angetreten, so erinnerte Vizepremier di Maio, um Italien vom „Krebsgeschwür der Korruption zu befreien“.

Über Salvinis Motive wird derweil spekuliert. Umfragen sehen seine rechten Ultras bei satten 37 Prozent. Sucht er nach der geeigneten Sollbruchstelle, um das Bündnis in die Luft gehen zu lassen? „Spätestens im Oktober wählen wir“, soll er unlängst in kleiner Runde gesagt haben. Nun scheint ein Bruch jeden Tag möglich.

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