GEORG ANASTASIADIS
Nach dem Terror gegen Christen in Sri Lanka werden westliche Politiker nicht müde, ihre Bürger vor religiösem Hass zu warnen, und das völlig zu Recht. Schön wäre es freilich gewesen, wenn nach dem Massaker gegen Muslime in Christchurch mehr führende Vertreter der islamischen Welt ähnliche Signale des Miteinanders ausgesandt hätten. Stattdessen hatte damals der wahlkämpfende türkische Premier der Versuchung nicht widerstehen können, die Bluttat für seine Zwecke auszuschlachten. Er kritisierte im türkischen Fernsehen die (angebliche) „heimtückische Stille“ westlicher Politiker und Medien nach der Gewaltorgie in Neuseeland und warf der Europäischen Union wörtlich vor, ein „Feind des Islam“ zu sein.
In Sri Lanka ist die von Leuten wie Erdogan gelegte Saat des Hasses auf schreckliche Weise aufgegangen, wie auch schon nach dem Brand in Notre-Dame (damals häuften sich in den sozialen Netzwerken Einträge französischer Muslime, die ihrer Schadenfreude über das Feuer Ausdruck verliehen). Völlig zu Recht hat Manfred Weber, der Spitzenkandidat der christlich-konservativen europäischen Parteienfamilie EVP, jetzt bekräftigt, dass die Türkei kein Mitglied der EU werden könne. Nicht weil sie islamisch ist. Sondern weil sie – oder zumindest ihre bestimmenden gesellschaftlichen Kräfte – die Werte Europas nicht teilen. Dazu gehört die religiöse Toleranz. Erdogan hat die Türkei zu einer Spielart eines muslimischen Gottesstaates geformt, der keinen Platz hat in der Tradition des aufgeklärten Europas. Nicht für einen bestimmten Gott hat der säkulare Staat zu kämpfen – sondern für das Recht eines jeden, frei an seinen Gott glauben zu dürfen.
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