Mehr Vorbehalte gegen Asylbewerber

von Redaktion

Die aktuelle Auflage einer Reihenuntersuchung zu Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus kommt zu dem Ergebnis: Rechte Einstellungen hätten sich in der Mitte der Gesellschaft verfestigt.

VON ANNE-BEATRICE CLASMANN

Berlin – Die Zahl der neu ankommenden Asylbewerber ist zuletzt gesunken, dennoch wachsen bei den Deutschen die Vorbehalte gegen Asylsuchende. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen „Mitte-Studie“, einer repräsentativen Reihenuntersuchung, mit der alle zwei Jahre rechtsextreme Einstellungen und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ gemessen werden.

Hatten sich 2014 noch rund 44 Prozent der Befragten negativ über Asylsuchende geäußert, so stieg dieser Wert bei der Befragung von 2016 auf 49,5 Prozent. Als Andreas Zick, Beate Küpper und ihre Mitautoren im Februar 2019 ihre jüngste Befragung auswerteten, stellten sie fest: Mit 54,1 Prozent war der Anteil derjenigen, die sich abwertend über asylsuchende Menschen äußern, so hoch wie nie seit 2011.

Dies als Zeichen einer immer stärker um sich greifenden allgemeinen Intoleranz zu interpretieren, greift aber zu kurz. Denn die Autoren der Studie, die von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben wird, fanden auch heraus, dass Vorbehalte gegen Obdachlose seit 2014 kontinuierlich abgenommen haben. Hatten sich 2016 noch 18 Prozent der Befragten negativ über Wohnungslose geäußert, so waren es zuletzt nur noch knapp elf Prozent.

Abgenommen haben laut Studie auch die Vorbehalte gegen Homosexuelle. Entsprechende Einstellungen fanden die Forscher zuletzt noch bei rund acht Prozent aller Deutschen. Zwei Jahre zuvor hatte noch fast jeder Zehnte Vorbehalte gegen Lesben und Schwule geäußert.

Was die Studie nicht beantwortet, ist die Frage nach den Gründen für die zunehmend negative Einstellung großer Bevölkerungsteile gegenüber Asylbewerbern.

Auch dazu, wie sie das Verhalten der in Deutschland lebenden Flüchtlinge und Asylbewerber einschätzen, wurden die Teilnehmer der Studie nicht befragt. Stellung beziehen sollten sie lediglich zu zwei Aussagen, die sich eher darauf beziehen, ob sich diese Menschen überhaupt hier aufhalten sollten: „Bei der Prüfung von Asylanträgen sollte der Staat großzügig sein“ und „Die meisten Asylbewerber werden in ihrem Heimatland gar nicht verfolgt“.

Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Bundestags-Grünen, nannte es alarmierend, dass sich die Einstellung gegenüber Asylsuchenden sogar noch verschlechtert habe. „Vorurteile und Ressentiments reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft hinein und haben sich dort sogar weiter verfestigen können“, erklärte Hofreiter.

Politiker dürften nicht nur aus diesen Ergebnissen Schlüsse ziehen, sondern auch aus der wachsenden Unzufriedenheit über das Funktionieren der deutschen Demokratie, die von den Befragten geäußert wurde. Immerhin fast 46 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, es gebe „geheime Organisationen“, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen hätten. Fast ein Viertel der Deutschen glaubt, Medien und Politik steckten irgendwie unter einer Decke.

Was außerdem auffällt: Rechtspopulistische Einstellungen finden sich nicht nur bei den Wählern der AfD. Laut Studie vertreten auch 23 Prozent aller FDP-Anhänger und knapp 21 Prozent aller Wähler von CDU und CSU Ansichten aus dem rechtspopulistischen Spektrum. Unter den Wahlberechtigten, die der AfD ihre Stimme geben wollen, ist der Hang zum Rechtspopulismus den Angaben zufolge allerdings mit rund 75 Prozent deutlich ausgeprägter. Auch bei den Nichtwählern ist dieser Wert mit 33,6 Prozent hoch.

„Eine tief greifende Ursache für den gesellschaftlichen Rechtstrend ist die vorherrschende und anhaltende neoliberale Politik“, sagt die Linke-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Als Erklärungsmuster für den Frust im Osten Deutschlands taugt das nach Ansicht der Forscher aber nur bedingt.

Im Osten sind der Studie zufolge sowohl der Hang zum Autoritarismus als auch die Ablehnung von Muslimen und Zuwanderern deutlich stärker ausgeprägt als im Westen.

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