Berlin – Er hat eine Werbung der Bahn kritisiert – und hat seither einigen Ärger am Bein. Nun haben sich auch die Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock zur Causa Boris Palmer geäußert. Tübingens Oberbürgermeister habe „eine Tür zu einem rassistischen Weltbild aufgestoßen – er sollte sie schnell wieder schließen“, teilten beide mit. „Er hat Menschen nach äußeren Merkmalen beurteilt und die Frage, wer zu unserer Gesellschaft gehört, daraus abgeleitet. Beides ist nicht richtig.“
Palmer hatte auf Facebook Bilder auf der Homepage der Bahn kommentiert, die Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben zeigen, darunter den Sternekoch Nelson Müller, der ghanaische Wurzeln hat, und die türkisch-stämmige Moderatorin Nazan Eckes. „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“, fragte der 46-Jährige und löste damit einen Shitstorm aus, der auch die Parteichefs unter Druck setzt. Denn innerhalb der Grünen wird die Forderung lauter, den Provokateur aus der Partei auszuschließen.
Dem schließt die Parteispitze sich aber nicht an. Parteiausschlussverfahren seien „enorm schwierig und wenig erfolgversprechend“, teilten die Grünen-Chefs mit. „Das zeigen unter anderem Erfahrungen der SPD mit Thilo Sarrazin.“ Die Sozialdemokraten versuchen aktuell zum dritten Mal, den wegen seiner islamkritischen Äußerungen umstrittenen Sarrazin aus der Partei auszuschließen.
Die Grünen wollen wohl einen anderen Weg gehen. Baerbock und Habeck erklärten, sie hätten mit Palmer gesprochen und hofften sehr, „dass er ernsthaft darüber nachdenkt, was solche Äußerungen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft bedeuten“.
Palmer wies den Ruf nach Parteiausschluss entschieden zurück. „Ich halte das für den Ausdruck einer antidemokratischen Debattenverweigerung“, sagte er. „Ich vertrete die Werte dieser Partei gegen solche Meinungstyrannen und lasse mich dadurch in keiner Weise beeindrucken.“ Das Ansinnen sei absurd und nicht der erste Versuch, ihn rauszuwerfen. „Ich hab die Schnauze voll von so was.“
„Meinungstyrannen“ – der Vorwurf geht nach Berlin, wo eine Gruppe Grünen-Politiker Palmers Rausschmiss fordert. Der Schwabe habe sich „mittlerweile als rechtspopulistischer Pöbler etabliert“, heißt es in einem offenen Brief. Ihn verbinde „gar nichts“ mehr mit den Werten der Grünen. Sein Kreisverband müsse daher Konsequenzen ziehen: „Wir bitten euch, den Ausschluss von Boris Palmer aus der Partei anzustreben!“
Die Autorin des Schreibens, Svenja Borgschulte, sagte, es gebe dafür bundesweit Zuspruch. Ausschlussverfahren sind aber kompliziert. In der Satzung der Grünen heißt es, ein Mitglied, das „vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung“ der Partei verstoße und ihr damit „schweren Schaden“ zufüge, könne ausgeschlossen werden.
Palmer war mal Hoffnungsträger, wurde gar als Nachfolger von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (70) ins Spiel gebracht. Inzwischen ist er in der Partei ziemlich isoliert.
Kretschmann ist gerade im Urlaub, zum aktuellen Wirbel äußerte er sich nicht. Als Palmer im November Schlagzeilen machte, weil er mit einem Studenten in Streit geriet, sagte Kretschmann, Stadtoberhäupter seien selbst für ihr Handeln verantwortlich. „Ich bin nicht ihr Papa.“ T. DAPP, N. POINTNER, S. KRUSE