Die Friedrich-Ebert-Stiftung warnt. Seit 2014 ist der Anteil derer, die sich negativ über Asylbewerber äußern, deutlich gestiegen – auf 54,1 Prozent. Auch daran zeige sich, wie weit Deutschland nach rechts gerückt sei, folgern nicht nur grüne Politiker. Doch das ist zu einfach.
Denn tatsächlich dürfte der Anstieg negativer Aussagen über Flüchtlinge seit 2014 auch maßgeblich damit zusammenhängen, dass die meisten Deutschen vorher überhaupt nicht mit ihnen konfrontiert waren. Die Zahlen zeigen, dass die Vorbehalte mit Beginn der Flüchtlingskrise stark gestiegen sind. Deren absoluter Höhepunkt war im Herbst 2015 erreicht. Doch mit dem Ende der ganz großen Krise waren ja die Migranten nicht plötzlich wieder weg – im Gegenteil, im Alltag vieler Menschen kamen sie nun erst richtig an. Und mit ihnen die Probleme, die eben entstehen, wenn in kurzer Zeit eine große Zahl von Menschen fremder Kultur – und teils sogar unbekannter Identität – in ein Land kommt.
Das alles darf natürlich kein Feigenblatt sein. Anfeindungen gegenüber Migranten sind nicht zu tolerieren und werden zu Recht bestraft. Doch wer der Hälfte der deutschen Bevölkerung unterstellt, sie sei nach rechts abgedriftet, der leugnet Probleme, statt sie zu lösen. Stattdessen zeigt sich einmal mehr: Der EU-Türkei-Deal hat zwar die Flüchtlingskrise vorerst entschärft – die aus ihr folgenden Herausforderungen werden unsere Gesellschaft aber noch sehr lange beschäftigen.
Sebastian.Horsch@ovb.net