Lässt sich das Artensterben stoppen?

von Redaktion

Erstmals nach 14 Jahren haben Experten wieder eine weltweite Inventur der Natur durchgeführt. Das erschreckende Ergebnis des Öko-Checks des Weltbiodiversitätsrats IPBES: Bis zu eine Million Arten drohen in den kommenden Jahrzehnten für immer von unserem Planeten zu verschwinden.

VON KLAUS RIMPEL

München/Paris – Ab heute tagt in Paris eine Konferenz des UN-Gremiums IPBES, bei der 150 Experten aus 50 Staaten nach Wegen suchen, ein Massenaussterben noch zu verhindern. Laut dem Bericht, der dort veröffentlicht werden soll, drohen 500 000 bis eine Million der geschätzt zehn Millionen Tier- und Pflanzenarten „in den kommenden Jahrzehnten“ zu verschwinden.

Dass besser angepasste Arten andere verdrängen – das sind natürliche, evolutionäre Prozesse. Doch im derzeitigen Zeitalter, das Wissenschaftler „Anthropozän“ (also: vom Menschen gestaltetes Zeitalter) nennen, liegt es vor allem in der Verantwortung des Menschen, wenn Tiere und Pflanzen verschwinden: Laut IPBES-Report ist die Geschwindigkeit, in der Tier- und Pflanzenarten aussterben, bis zu hundertmal höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre. Der Bericht warnt vor einer „unmittelbar bevorstehenden extremen Beschleunigung“ des weltweiten Artensterbens.

Ein Hauptgrund dafür ist der Verlust der Lebensräume von Wildtieren und Pflanzen: Wälder werden gerodet, um Plantagen, Straßen oder Industriegebiete zu schaffen. Allein 2018 wurde Tropenwald in der Größe Englands gerodet – 120 000 Quadratkilometer. Fast ein Drittel davon (rund 36 000 Quadratkilometer) davon ist Urwald, so die Organisation Global Forest Watch. Auch der Lebensraum Meer wird vom Menschen bedroht: Vor allem durch Schleppnetzfischerei wurden viele Fischarten an den Rand des Aussterbens gebracht. In der EU-Fischereipolitik werden Quoten festgelegt, welche die wissenschaftlichen Empfehlungen jedes Jahr durchschnittlich um 48 Prozent überschreiten. Plastik in Meeren und Flüssen wird für Wasservögel oder Meeresschildkröten existenzbedrohend. Durch die Erwärmung der Meere sterben Korallenriffe ab, die damit verbundenen Ökosysteme sind dadurch bedroht.

Wie der Weltklimarat IPCC erarbeitet auch die IPBES die Basis für konkrete politische Maßnahmen. IPBES-Chef Bob Watson fordert mehr und größere Schutzgebiete. Der Anspruch der wachsenden Weltbevölkerung auf Nahrung kollidiert mit dem Ziel, Lebensraum für Wildtiere zu bewahren. Deshalb suchen die Wissenschaftler auf der Konferenz bis zum 6. Mai nach Wegen, wie landwirtschaftliche Erträge auch ohne Pestizide und Flächenfraß erhöht werden können.

Die Experten können auch mit ökonomischen Daten argumentieren: Eine Untersuchung im Auftrag der EU-Kommission hat ergeben, dass die Schutzgebiete, die 18 Prozent der EU-Landfläche ausmachen, jährliche Kosten in einer Höhe von sechs Milliarden Euro verursachen, aber rund 300 Milliarden Euro an Nutzen bringen – durch Hochwasser-Schutz oder die Bestäubungs-Leistung von Insekten. Nur „tiefgreifende Veränderungen“ könnten den Schaden für die Artenvielfalt noch begrenzen, sagte Watson.

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