Madrid – Leger in Jeans und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln reckt Pedro Sánchez die linke Faust nach oben. Der 47-jährige Ministerpräsident ist der Sieger der Parlamentswahl in Spanien. Seine Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) hatte seit elf Jahren keine Wahl mehr gewonnen – „Pedro El Guapo“, der schöne Pedro, hat das geändert. Aber in die Siegerpose beim Auftritt in Madrid mischt sich die Gewissheit, dass die Regierungsbildung zur Herkulesaufgabe werden dürfte.
Denn die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone droht instabil zu bleiben. Und hat es mit einem neuen „Störfaktor“ zu tun: Den Rechtspopulisten von Vox.
Die Renommierzeitung „El País“ traf mit ihrer Schlagzeile am Montag den Nagel auf den Kopf. „Sánchez siegt, aber er wird paktieren müssen“, war groß auf Seite eins zu lesen. Wie schwer sich die Politiker in Madrid mit dem „Paktieren“ tun, das weiß man in Spanien nur zu genau. Seit der Rückkehr zur Demokratie 1975 hat es im Land noch nie eine Koalitionsregierung gegeben, Konservative und Sozialisten lösten einander im „Palacio de la Moncloa“ stets mit stabiler Mehrheit ab.
Dass Sánchez’ „Nummer zwei“, Carmen Calvo, am Tag nach der Wahl sagte, die PSOE könne allein regieren, also mit 123 von insgesamt 350 Abgeordneten, überrascht daher nur die Nichteingeweihten. Denn im Klartext heißt das, dass man in die anstehenden Gespräche mit dem Linksbündnis Unidas Podemos und mehreren nationalistischen Regionalparteien mit dem Ziel gehen könnte, sich die nötigen Ja-Stimmen oder Enthaltungen zur Sánchez-Wahl im Parlament zu holen – ohne aber andere Parteien mit ins Regierungsboot zu holen.
Das ging zuletzt schief, eigentlich bräuchte Spanien dringend Stabilität. Für die PSOE gibt es also viel zu tun, Sánchez’ aufgekrempelte Ärmel wirken da wie eine Metapher. Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick werden nötig sein: Etwa mit Podemos, die sich als Partner anbietet, aber fordert, dass Reiche und Unternehmen (viel) mehr Steuern zahlen sollen. Oder mit baskischen Kleinparteien.
Eins wollen die Sozialisten aber unbedingt vermeiden: ein erneutes Bündnis mit „Independentistas“ aus Barcelona. Die hatten Sánchez beim Misstrauensvotum gegen Mariano Rajoy im vorigen Juni zwar zu seinem Amt verholfen, den Regierungschef aber im Februar genauso schnell wieder fallen lassen.
Die Spanier hoffen derweil, dass sich die „Blockade“ von 2016 nicht wiederholt, als das Land nach zwei Wahlgängen binnen sechs Monaten fast ein Jahr lang keine reguläre Regierung hatte. Aber vieles deutet darauf hin, dass es so kommen wird. Auch und gerade wegen des 26. Mai: Dann finden in Spanien neben der Europawahl mehrere regionale Abstimmungen statt. Bis dahin werden die Parteien keine Risiken eingehen, meinen angesehene Analysten.
Die Zukunft ist ungewiss. Fest steht aber, dass an Sánchez als Regierungschef nach den herben Verlusten der Volkspartei PP kein Weg vorbeiführt. Also heißt es jetzt: entweder Sánchez oder eine weitere Neuwahl.
Nach ersten Analysen verlor die PP viele Wähler in erster Linie an Vox, deren Erfolg allerdings von vielen Medien relativiert wurde. Trotz des Katalonien-Konflikts, der zunehmenden illegalen Einwanderung und der hohen Arbeitslosigkeit habe die Partei schlechter als erwartet abgeschnitten. „Vox hatte vor, mit Pauken und Trompeten in den Congreso einzuziehen und die Tür einzutreten“, kommentierte die rechtsliberale „El Mundo“. „Nun müssen sie hingegen an der Tür klingeln und höflich um Erlaubnis bitten.“