Ein kalkulierter Schwenk

von Redaktion

Kurz vor Europawahl entdeckt Salvini sein Herz für Flüchtlinge

Rom – Selbst Italiens Verteidigungsministerin war überrascht. „Als ich vor wenigen Tagen humanitäre Korridore für verfolgte Flüchtlinge aus Libyen vorgeschlagen hatte, wurde ich aus Reihen der Lega mit Polemik überzogen“, staunte Elisabetta Trenta. Dennoch freue sie sich über die späte Einsicht ihres Kabinettskollegen Matteo Salvini. Der spöttische Unterton war nicht zu überhören.

Ausgerechnet der als Hardliner bekannte Innenminister brachte von einem bilateralen Regierungsgipfel in Tunis 147 handverlesene Flüchtlinge aus dem vom Bürgerkrieg geschüttelten Libyen mit nach Italien. Sie kommen aus der umkämpften Küstenstadt Misrata und wurden zu einem Militärstützpunkt nahe Rom geflogen. Nach Angaben des Innenministeriums stammen die meisten Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia, außerdem Syrien, Äthiopien und dem Sudan. Demnach befanden sich in der Gruppe 68 Minderjährige.

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi rief andere Staaten auf, dem Beispiel zu folgen und Flüchtlinge aufzunehmen, die im libyschen Bürgerkrieg festsäßen. Viele lebten unter dramatischen humanitären Zuständen. Auch Papst Franziskus richtete einen Appell an die westlichen Staaten. Dabei brachte er ausdrücklich „humanitäre Korridore“ ins Spiel.

Der Kursschwenk von Lega-Chef Salvini dürfte also weniger einem Meinungswechsel als vielmehr politischem Kalkül geschuldet sein. Kurz vor den Europawahlen, so kommentieren italienische Zeitungen, wolle er auf bürgerliche und katholische Wähler zugehen, die von der harten Linie der rechtsextremen Populisten gegen Migranten und Rettungsschiffe abgeschreckt seien. Salvini formulierte das so: „Italien ist offen für Frauen, Kinder und junge Menschen, die wirklich vor Krieg fliehen.“ Geschlossen seien Häfen jedoch für „Menschenschmuggler und ihre Schleuserboote“. MICHAEL FETH

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