Gesucht: der richtige Wechsel-Zeitpunkt

von Redaktion

Nach anfänglichem Aufschwung durch den Wechsel an der Parteispitze ist davon kaum mehr was zu spüren in der CDU. Das macht nervös, insbesondere die neue Chefin Kramp-Karrenbauer. Schafft sie es, die Zustimmung über die ganze Legislaturperiode hochzuhalten?

VON RUPPERT MAYR UND JÖRG BLANK

Berlin – Die Kanzlerin wirkt sichtlich entspannt. Im brandenburgischen Schwedt beantwortet Angela Merkel Fragen von Bürgern. Ab und zu macht sie ein typisches, trockenes Merkel-Scherzchen und erntet beifälliges Lächeln. Selbst im Osten gehen die Menschen mittlerweile freundlicher mit ihr um. Am Schluss kommt dann doch noch eine Frage nach ihrer Flüchtlingspolitik. Das Gesicht von Merkel verdüstert sich kurz. Dann sagt sie, die Fehler lägen vor 2015, weil sich weder Deutschland noch Europa um die Flüchtlingsgebiete vor Ort gekümmert hätten. Kein Widerspruch? Vielen Dank. Schönen 1. Mai.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat es da zurzeit ungleich schwerer. Sie muss wahlkämpfen – ohne die Kanzlerin. Bilder, die die beiden Führungsfrauen der CDU mit ernstem Gesicht wortlos nebeneinander sitzend zeigen, hatten den Eindruck geschürt, es sei dicke Luft zwischen ihnen. Nein, sagt Kramp-Karrenbauer. „Wir haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis.“

Angesichts der sinkenden Umfragewerte ist es in der Tat nicht verwunderlich, dass sich CDU-Chefin und Kanzlerin nicht immer mit einem Dauerlächeln begegnen. Im Gegenteil: Das macht nervös. Zumal den beiden auch klar ist, dass, je länger eine Amtsübergabe dauert, sich die parteiinternen Konkurrenten Kramp-Karrenbauers umso besser wieder formieren können. So werden dem CDU-Vize und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet durchaus Ambitionen nachgesagt.

Die Kanzlerin genießt nach wie vor hohe Zustimmungswerte. Es dürfte also nicht so einfach sein, sie aus dem Amt zu drängen. Sie kann bisher noch selbst bestimmen, wann sie das Kanzleramt räumt. Ein vorzeitiger Wechsel wäre, das dämmert inzwischen auch der FDP, die lieber heute als morgen in eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen gehen würde und angeblich auch schon entsprechende Vorbereitungen trifft, wohl nur mit einer Neuwahl möglich.

Er ist auch deswegen schwierig, weil in der zweiten Hälfte 2020 Deutschland wieder die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Ein Wechsel im Kanzleramt von der erfahrenen Merkel zur zu diesem Zeitpunkt dann noch unerfahrenen Kramp-Karrenbauer kurz vor oder während der Präsidentschaft, wäre politisch sicherlich nicht sonderlich klug.

Im laufenden Jahr 2019 also einen Amtswechsel? Das ist ein sehr sensibles Thema. Denn jede Partei, die fahrlässig und ohne triftigen, dem Bürger vermittelbaren Grund eine Regierungskoalition sprengt, muss mit Konsequenzen des Wählers rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich nicht falsch, wenn Kramp-Karrenbauer sagt: „Es gilt für die CDU das Wort der Kanzlerin, dass diese Regierung für die ganze Legislaturperiode gewählt ist. “

Was aber AKK tun kann, ist, sich auf alle Eventualitäten nach der Europa- und Bremenwahl vorzubereiten. Von daher macht es Sinn, schon eine Woche nach der Wahl, am 2. und 3. Juni, die CDU-Führung zu einer Klausur zu bitten. Und es ist ebenfalls sinnvoll, dabei über die Schwerpunktsetzung im Koalitionsvertrag und bei der Haushaltsplanung zu beraten. Denn die nachlassende Wirtschaftskraft Deutschlands und der Brexit sollten berücksichtigt werden.

Und wer weiß, vielleicht wird ja die SPD schon nach der Europawahl nervös. Wenn nicht, steht Ende des Jahres mit den Wahlen in den Ostländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen eine Zwischenbilanz der SPD zum Regierungshandeln im Bund an und zur Entscheidung, ob man weitermachen will in der Großen Koalition.

Noch äußert sich SPD-Chefin Andrea Nahles optimistisch: „Wenn wir bis zur Halbzeit noch manches durchsetzen, können wir auch sagen: Super, wir machen weiter“, sagte sie der „Südwest Presse“.

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