Söders große Kurve um Ungarn

von Redaktion

In Osteuropa will Markus Söder zeigen, dass die CSU über allen Bienen-Debatten das Feld der Außenpolitik nicht aufgegeben hat. In Bulgarien und Kroatien führt er teils heikle Gespräche. Um Ungarn macht er dabei einen weiten Bogen – aus aktuellem Anlass.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Sofia – In der Diplomatie gibt es diese Momente, in denen man hofft, die Dolmetscherin habe sich verhaspelt. Markus Söder lauscht der Simultanübersetzung aus dem Bulgarischen und wirft dann einen irritierten Seitenblick nach links. „Söder war jemand, der sich stark gegen Bulgarien eingesetzt hat“, sagt Ministerpräsident Boiko Borissow. „Er musste dann die Details kennenlernen.“ Übersetzungsfehler? Nein, Borissow wiederholt vor laufenden Kameras: „Der Kollege war einer der größten Kritiker. Ein paar Jahre hat er gebraucht, um seine Meinung zu ändern.“

Es geht kantig zu, ohne diplomatisches Süßholzgeraspel, zum Start der Osteuropa-Reise des CSU-Vorsitzenden. In Sofia wird Söder zwar mit allen Ehren, Blaulichteskorte und sogar einer Umarmung des bulligen Ministerpräsidenten empfangen, aber auch mit deutlichen Worten. Die konservative bulgarische Regierung verlangt mehr Unterstützung. Borissow erinnert sich sehr genau, dass ein CSU-Innenminister 2013 den Schengen-Vollbeitritt des Landes verhinderte. Und klagt, dass sein Land auch mit wenigen EU-Mitteln seine Grenze vorbildlich gegen illegale Migration schütze, anders als Griechenland.

In einer außenpolitischen Eil-Tour besucht Söder am Donnerstag Bulgarien, Kroatien und reist nach Österreich weiter, wo er heute auf Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft. Söder wäre nicht Söder, würde er das nicht in großen Linien erklären: Wiederaufnahme der alten Strategien von Kohl, sich auch um die kleineren Länder zu kümmern, und von Strauß, enge Sonderkontakte nach Südosteuropa zu pflegen. „Das ist eingeschlafen.“

Noch entscheidender ist, wo der CSU-Chef trotz mehrfacher Einladung nicht hinfliegt: Er distanziert sich von Ungarns Ministerpräsident. Zeitgleich empfängt Viktor Orbán den italienischen Lega-Chef Matteo Salvini, ein Signal, sich weit rechts von der konservativen Parteienfamilie EVP zuhause zu fühlen. Söder kritisiert das hart: „Ein unglückliches Treffen.“ Salvini wolle „Europa zerstören“.

Von Osteuropa aus sendet der CSU-Chef ein klares Signal, gezielt vor den Landtagswahlen im Osten: keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten. „Da darf es für die CSU keinen Zweifel geben.“ Sich mit AfD, Le Pen oder Salvini einzulassen, „höhlt bürgerliche Konservative aus“.

Salvini und Orbán betreiben diese Aushöhlung intensiv. „Ich mache mich auf den Weg nach Ungarn, um ein neues Europa zu erbauen“, verbreitet Salvini. Direkt vor dem Zaun an der Grenze zu Serbien treffen sich beide, inszenieren sich als Frontkommandanten, die Europa vorm Ansturm der Migrantenmassen verteidigen. Orbán klagt, die EVP sei offenbar „zum Selbstmord bereit“, sie gehe bald linke Bündnisse ein.

Söder bietet mit seiner Ost-Tour einen Gegenentwurf an. Auch er redet über Grenzen, verlangt einen schnelleren Aufbau der europäischen Frontex-Truppe, als es sein eigener Bundesinnenminister Seehofer plant. „Fast zehn Jahre – das ist zu spät“, sagt Söder. Er redet aber auch über Hilfe in Afrika als Fluchtursachen-Prävention, über eine Balance von Ordnung und Humanität.

Borissow und der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic sagen Söder ebenso unmissverständlich, sie verlangten die Aufnahme in den Schengenraum. Plenkovic lässt auf Fragen nach Orbán im Übrigen fallen, ausgelöst worden sei der Aufschwung der Rechten ja „durch die nichtkontrollierte Migrationskrise 2015/16“.

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