GEORG ANASTASIADIS
In Deutschlands politischen Kreisen ist es Mode geworden, ein wenig selbstgefällig auf Wien zu blicken. Dafür gibt es Anlässe – etwa den überaus fragwürdigen Umgang der österreichischen Regierungspartei FPÖ mit den Medien und der Pressefreiheit. Richtig ist allerdings auch: In Österreich schafft es Kanzler Sebastian Kurz, anders als CDU und CSU in Deutschland, neue Wähler für die Volkspartei ÖVP hinzuzugewinnen. Und: In der Steuerpolitik hat die Wiener Mitte-Rechts-Regierung jetzt eine Reform hingekriegt, um die die österreichischen Bürger hierzulande zu Recht beneidet werden.
Deutschland diskutiert als Reaktion auf die wachsende finanzielle Bedrängnis der Normalverdiener über Enteignungen. Österreich hingegen hilft der Mitte, indem es die drückende Abgabenlast drastisch senkt. Geringverdiener werden zudem in der Arbeitslosen- und der Krankenversicherung entlastet. Außerdem sollen Betriebe zehn Prozent ihres Gewinns steuerfrei an Mitarbeiter ausschütten dürfen. So stärkt man die soziale Marktwirtschaft: Indem man Arbeitnehmer am Erfolg der Unternehmen teilhaben lässt, statt diese – wovon hierzulande Linke, SPD und Grüne träumen – in Staatsbesitz zu überführen. Es ist ein Aberwitz, dass Juso-Chef Kühnert mit BMW ausgerechnet einen Konzern kollektivieren will, der schon jetzt wie kaum ein anderer seine Mitarbeiter über Prämien an seinen Profiten beteiligt.
Hochgerechnet auf Deutschland entspricht das von Kanzler Kurz durchgesetzte Entlastungsvolumen einer Summe von 50 Milliarden Euro im Jahr. Es ehrt den bayerischen Ministerpräsidenten Söder, dass er Erben einen Teil der Steuer erlassen will, wenn sie das hinterlassene Häuschen energetisch aufrüsten. Das ist (umwelt)politisch korrekt. Aber eben auch nur kleines Karo. Die taumelnde Konjunktur stimuliert er damit ebenso wenig wie die unter der Abgabenlast ächzende arbeitende Mitte.
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