Tel Aviv/Gaza – Nach dem schwersten Ausbruch der Gewalt seit fünf Jahren zwischen Israel und den militanten Palästinensern im Gazastreifen schweigen vorerst wieder die Waffen. Nach Berichten über eine neue Waffenruhe hob Israels Armee am Montag alle Einschränkungen für die israelische Bevölkerung im Grenzgebiet wieder auf. Die Eskalation kam gut eine Woche vor dem internationalen Gesangswettbewerb Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv.
Die neue Runde der Gewalt hatte seit dem Wochenende mehr als zwei Dutzend Menschen das Leben gekostet. Vier Israelis wurden am Sonntag bei massiven Raketenangriffen aus Gaza getötet und mehr als hundert verletzt. Militante Palästinenser hatten nach israelischen Armeeangaben seit Samstag rund 700 Raketen auf Israel abgefeuert. Angriffe der israelischen Armee töteten nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza am Sonntag 19 Palästinenser – zusätzlich zu den sechs Todesopfern vom Vortag. 160 Palästinenser seien verletzt worden.
Für die Waffenruhe gab es von keiner Seite eine offizielle Bestätigung, aber die gegenseitigen Angriffe hörten über Nacht auf. Bis zum Nachmittag gab es keine neuen Raketenangriffe aus dem Küstenstreifen und Israels Luftwaffe griff keine Ziele mehr an. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte jedoch, der Kampf gegen die militanten Palästinenserorganisationen sei noch nicht beendet. „In den letzten beiden Tagen haben wir Hamas und Islamischen Dschihad mit großer Macht attackiert, wir haben mehr als 350 Ziele beschossen“, sagte er. „Die Kampagne ist noch nicht vorbei, sie braucht Geduld und Augenmaß. Wir sind bereit, weiterzumachen.“ Wichtigstes Ziel sei es, Ruhe und Sicherheit für die Einwohner des israelischen Südens zu erzielen.
Der Hamas-Chef Ismail Hanija hatte am Sonntagabend mitgeteilt, man sei zu einer neuen Feuerpause bereit, falls Israel sich ebenfalls daran halte. Kurz darauf richtete US-Präsident Donald Trump eine Warnung an die Palästinenser im Gazastreifen – und sicherte dem Verbündeten Israel die volle Unterstützung seines Landes zu.
Die Bundesregierung verurteilte den Raketenbeschuss der Hamas auf Ziele in Israel „auf das Schärfste“. „Es kann für diese Gewalt gegen unschuldige Zivilisten keine Rechtfertigung geben“, sagte eine Sprecherin. „Israel hat das Recht, seine Sicherheit zu verteidigen und auf Angriffe angemessen zu reagieren.“
Zu den Gründen für den Gewaltausbruch sagte der palästinensische Politikprofessor Mechemer Abu Seda: „Das wichtigste Ziel der letzten Runde der Eskalation war es, Israel dazu zu zwingen, Waffenruhe-Vereinbarungen umzusetzen, die vor den Wahlen in Israel (am 9. April) mit Hilfe von Ägypten, den UN und Katar erzielt worden waren.“ Israel habe sich danach verpflichtet, die Fischereizone auf 15 Seemeilen (knapp 28 Kilometer) auszuweiten, die Einfuhr von mehr Erdgas für das Kraftwerk im Gazastreifen zu erlauben sowie den Transfer von Geldern Katars und der Vereinten Nationen. „Israel hat sich leider nicht ganz an diese Vereinbarungen gehalten“, sagte Abu Seda. Es habe etwa die Fischereizone wieder eingeschränkt und die Geldübergabe durch Katar verhindert.
Dies wurde allerdings von Israels Außenministerium dementiert. Israel macht vielmehr Verstöße militanter Palästinenser für die neue Gewalt verantwortlich.
Seit Beginn teilweise gewaltsamer Proteste an der Gaza-Grenze zu Israel im März vergangenen Jahres ist es immer wieder zu ähnlichen Gewaltausbrüchen zwischen beiden Seiten gekommen.