München/Budapest – Kurz vor dem Wahltermin eskaliert der Streit zwischen Europas Konservativen und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Nach einer Reihe von Gesprächen mit europäischen Rechtspopulisten kündigte Orbán den Bruch mit der EVP-Parteienfamilie an. Die wochenlangen Versuche insbesondere von CSU, CDU und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, den Konflikt zu begrenzen, sind gescheitert.
Orbán orientiert sich weiter nach rechts. Er entzieht ausdrücklich dem konservativen Europa-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) die Unterstützung im Wahlkampf um den Präsidentenposten der EU-Kommission. Orbán begründet das damit, dass der CSU-Politiker gesagt habe, er wolle nicht mit ungarischen Wählerstimmen Chef der Kommission werden. Dies sei so „beleidigend“ und „schwerwiegend“, dass er als ungarischer Regierungschef Weber nicht weiter unterstützen könne, sagte Orbán. Dies sei Webers selbstgewählte Entscheidung. Man suche nun nach einem geeigneten anderen Kandidaten.
Pikant: Orbán verkündete seine Entscheidung in Budapest bei einem Treffen mit dem österreichischen Vizekanzler und FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache. Österreichs Kanzler Kurz hatte sich hinter den Kulissen immer für eine vermittelnde Position seiner europäischen Konservativen zu Orbán ausgesprochen.
Dem Treffen mit Strache war diese Woche ein Besuch des rechtspopulistischen italienischen Innenministers Matteo Salvini (Lega) vorangegangen. Dass sich Orbán mit seiner Fidesz-Partei ganz einer radikal rechten Parteienfamilie von Strache, Salvini und der Französin Marine Le Pen anschließen wird, gilt als wahrscheinlich, wird aber bisher nicht offiziell bestätigt. Diese Frage solle erst nach der Europawahl entschieden werden, sagte er.
Das Ringen der Konservativen um den Umgang mit Orbán ist damit beendet. Parteichefs mehrerer Länder hatten schon den Rauswurf der Fidesz aus der EVP verlangt. Ihre Geduld war nach seinen Kampagnen gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und nach den Einschnitten in den ungarischen Rechtsstaat erschöpft. Kurz sowie Politiker von CSU und CDU erreichten im März einen zunächst gesichtswahrenden Kompromiss: Fidesz wurde suspendiert, aber aus der EVP nicht rausgeworfen.
Für Weber ist der Bruch politisch womöglich eine Erleichterung. Der Ungar in der Parteienfamilie schreckte womöglich liberale Wähler ab. Nun geht er freiwillig, ohne sich als Opfer eines Rauswurfs präsentieren zu können. Mathematisch ist der Schritt aber unschön: Weber verliert nun die Unterstützung Orbáns bei der Europawahl und beim anschließend zu erwartenden Geschacher um die zentralen EU-Posten. Es ist der zweite Rückschlag: Dass die britischen Wähler bei der Europawahl wahrscheinlich mitmachen dürfen, hebt Webers Chancen ebenfalls nicht.
Die CSU-Spitze reagiert enttäuscht, aber gelassen. „Leider war das zu erwarten“, sagte CSU-Chef Markus Söder am Abend unserer Zeitung. „Wer sich Woche für Woche mit Rechtspopulisten trifft, sendet ein klares Signal.“ Damit nehme Orbán nun „wohl die Entscheidung der EVP vorweg“, sagte Söder.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER