München – Kein Porträt über Frans Timmermans kommt ohne den Hinweis aus, dass der Mann aus Maastricht sieben Sprachen fließend beherrscht. Und tatsächlich: Sein Deutsch, das der Niederländer gestern im ARD-Studio vorträgt, ist so geschliffen, dass mancher Muttersprachler neidisch werden könnte. Timmermans formuliert griffig, er kommt flott auf den Punkt, und das ist an diesem Abend gewiss ein Vorteil. Ihm stehen ja nur 45 Sekunden pro Antwort zu.
Zumindest in der Theorie. In der Praxis hat Manfred Weber, sein Gegenüber in diesem TV-Duell, sein Zeitkonto schon bald kräftig überzogen. Es gibt so viel zu sagen, so viele Themen rund um die Europawahl in zweieinhalb Wochen, in die Weber (46) und Timmermans (58) als Spitzenkandidaten der Konservativen und der Sozialdemokraten gehen. Und nicht jeder Aspekt lässt sich in der „Wahlarena“, in der 130 Zuschauer das demografische Europa repräsentieren und die Kandidaten mit Fragen eindecken, kurz und bündig abhandeln. Auch wenn Timmermans zuweilen einen anderen Eindruck erweckt.
Während also der Niederländer gleich zu Beginn für eine Senkung des Wahlalters auf 16 plädiert („die wissen, was sie wollen“), erlaubt sich sein Kontrahent den Hinweis, dass das so einfach nicht geht und die Dinge komplexer sind. Allein schon, weil die Frage, ab wann jemand wählen darf, „eine nationale Angelegenheit“ sei. Dagegen festlegen will er sich aber auch nicht.
So ein Duell lebt von den Kontrasten. Und die gibt es durchaus: Weber lehnt eine CO2–Steuer ab, Timmermans fordert sie vehement. Der Sozialdemokrat wirbt in der Steuer- und Sozialpolitik für europäische Lösungen, auch wenn die EU hier noch keine Kompetenzen hat, der CSU-Mann bevorzugt den Ist-Zustand. Als es um transnationale Listen geht, mit denen man überall auf dem Kontinent aus dem selben Kandidatenkreis wählen könnte, ruft Timmermans: „Ganz klares Ja.“ Weber kontert: „Ganz klares Nein.“ Die Nähe der Politiker zum Wähler wiegt für ihn schwerer als die ganz große Gleichbehandlung.
Aber auch das wird klar bei diesem wilden Ritt durch den Themen-Dschungel, den dieses Europa bietet: Die ganz große Konfrontation gibt es nicht. Beide Kandidaten sind überzeugte Europäer, sie kämpfen mit unterschiedlichen Temperamenten, aber gleicher Leidenschaft gegen Politikverdruss und Populisten. Und sie scheinen auch passabel miteinander klar zu kommen. Kurz vor Schluss kündigt Weber an, unter seiner Führung werde die nächste EU-Kommission zu 50 Prozent weiblich besetzt sein. Timmermans, der die selbe Position vertritt, mag da nur eine klitzekleine Stichelei platzieren: „Hoffentlich gibt es auch eine Kommissarin aus Deutschland.“MARC BEYER