Glückliches Österreich

von Redaktion

Die Renten sind deutlich höher, die Mieten gerade in Wien erheblich niedriger – und nun haben die Österreicher auch noch eine Steuerreform auf den Weg gebracht. Der kleine Nachbar ist Deutschland in wichtigen Fragen erstaunlich weit voraus. Wir haben beide Länder verglichen.

VON KLAUS RIMPEL UND MARC BEYER

München – 8,3 Milliarden Euro. Das ist eine Summe, die für sich genommen schon beeindruckend klingt. Rechnet man die Entlastungen, die die angekündigte Steuerreform in Österreich bringen soll, aber auf deutsche Verhältnisse hoch, entfaltet sie noch mal eine ganz andere Wucht. Eine solche Reform würde die Deutschen jährlich um bis zu 50 Milliarden Euro entlasten. Kein Wunder, dass der südliche Nachbar in Finanzfragen gerne als Vorbild bemüht wird. Ein Überblick.

Steuerreform

Die ÖVP-FPÖ-Regierung will die unteren drei Tarifstufen von 25, 35 und 42 Prozent auf 20, 30 und 40 Prozent senken. Zudem soll ab 2021 die Werbungskostenpauschale von 132 auf 300 Euro erhöht werden, was Arbeitnehmer um rund 140 Millionen Euro entlasten soll. Gegenfinanziert werden soll das durch eine höhere Steuer auf Autos mit starkem Schadstoff-Ausstoß sowie eine höhere Tabaksteuer. Wirtschaftswissenschaftler warnen, dass die Regierung darauf angewiesen sei, dass die Konjunktur „mehr oder weniger stabil“ bleibe. In Deutschland gab es seit 2005 keine große Steuerreform mehr, trotz der Rekord-Steuereinnahmen der letzten Jahre. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, übt gegenüber unserer Zeitung scharfe Kritik: „Die Bundesregierung in Deutschland muss handeln und die Mitte der Gesellschaft endlich spürbar entlasten. Die Koalition muss mit dem Soli anfangen und dann zügig die Einkommensteuer reformieren.“

Sozialausgaben

Die Sozialquote (Anteil der Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung) liegt in Österreich bei 29,5 Prozent, in Deutschland bei 29,6. Auch hier plant Wien Reformen: Ab 2020 werden die Krankenversicherungsbeiträge für 1,8 Millionen Geringverdiener und Rentner reduziert. „Damit profitieren vor allem jene, die zwar Sozialversicherung, aber noch keine Einkommensteuer zahlen“, sagt Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Ein Geringverdiener solle im Schnitt mit 280 Euro pro Jahr profitieren, ein Pensionist mit 170. Hier gab es zuletzt auch in Deutschland Entlastung: Da Arbeitgeber nicht mehr nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes von 14,6 Prozent, sondern auch die Hälfte des Zusatzbeitrags übernehmen müssen, wurde ein Arbeitnehmer mit 3000 Euro Monatseinkommen brutto um 180 Euro im Jahr entlastet, hat die Stiftung Warentest errechnet. Gleichzeitig wurden allerdings die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben. Die Rentenbeiträge sind in Österreich mit 22,8 Prozent des Bruttolohns aber deutlich höher als in Deutschland (18,6).

Rente

Dafür gibt’s in Österreich eine deutlich üppigere Rente: 44 Prozent mehr bekommt ein österreichischer Neurentner im Vergleich zum deutschen. Die Durchschnittsrente für Männer liegt in Österreich bei 2001 Euro, in Deutschland bei 1128. Rentnerinnen bekommen im Schnitt 1253 Euro, deutsche nur 904 Euro (jeweils Brutto-Altersrenten). Die Ruheständler in der Alpenrepublik bekommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld, also 14 volle Monatsrenten. Die werden automatisch der Inflationsrate angepasst. Möglich macht es die Einbeziehung aller Arbeitnehmer, auch der Beamten, sowie der Verzicht auf Teil-Privatisierungsexperimente wie in Deutschland der Riester-Rente. Die habe sich „rückwirkend als unglückliche Entscheidung erwiesen“, klagt Wolfgang Panhölzl von der Arbeiterkammer Wien. Nachteil in Österreich: Renten werden voll besteuert, in Deutschland sind die meisten (noch) steuerbefreit.

Mieten

Der Durchschnitts-Mieter in Wien zahlt 7,99 Euro pro Quadratmeter – in München sind im Schnitt (laut Mietspiegel) 11,69 Euro fällig. Möglich macht diese günstigen Mieten der Wiener „Gemeindebau“, der seit über 100 Jahren gepflegte kommunale soziale Wohnungsbau. Die Stadt besitzt 400 000 Wohnungen. Für Kauf, Bau, Sanierung und Verwaltung gibt Wien 650 Millionen Euro jährlich aus. 75 Prozent des Wiener Immobilienmarktes sind reguliert. Wenn private Bauträger bauen wollen, müssen sie zwei Drittel geförderte Wohnungen schaffen – und die dürfen maximal fünf Euro Miete pro Quadratmeter kosten. Derartige Hebel gibt es im deutschen Recht nicht.

Gehalt

Die Gehälter in Österreich sind spürbar niedriger, nicht selten um zehn Prozent, manchmal noch deutlicher. Ausgeglichen wird dieser Unterschied allerdings dadurch, dass die allermeisten Arbeitnehmer in den Genuss eines vollen 13. und 14. Monatsgehalts kommen. In Deutschland wurden in vielen Branchen die Zahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld reduziert oder ganz gekippt. Und: Die zwei Monatsgehälter werden in Österreich nur geringfügig besteuert. In einigen wenigen Branchen, zum Beispiel dem Banksektor, sind die Zustände noch paradiesischer. Weil dort ein höherer Aufwand etwa für Arbeitskleidung besteht, gibt es sogar ein 15. Monatsgehalt.

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