Sind Deutschlands fette Jahre vorbei?

von Redaktion

Der britische „Economist“ sieht „das goldene Zeitalter“ am Ende und warnt, es sei Zeit, sich um Deutschland Sorgen zu machen. Und der „Spiegel“ titelt: „Die fetten Jahre sind vorbei“. Ist unsere Lage nach zehn Jahren steigender Gewinne und sinkender Arbeitslosenzahlen wirklich so düster?

VON KLAUS RIMPEL

München/Berlin – Das deutsche Wachstum liegt bei mageren 0,3 Prozent, einstige deutsche Vorzeige-Unternehmen wie die Deutsche Bank oder Bayer stecken in dramatischen Krisen. Die schwächelnde Wirtschaft hat auch für die Staatsfinanzen Folgen: Bund, Länder und Gemeinden müssen bis 2023 mit insgesamt 124,3 Milliarden Euro weniger auskommen als bei der letzten Steuerschätzung erwartet. Das hat einen Streit in der Großen Koalition darüber ausgelöst, wo das Geld nun eingespart werden soll: Die Union will die SPD-Grundrente kippen, die SPD blockiert den Unions-Wunsch, den Soli abzuschaffen.

SPD-Chefin Andrea Nahles erklärte, die vollständige Soli-Abschaffung würde den Bundeshaushalt mit 10 Milliarden Euro zusätzlich belasten. Das sei nur durch neue Schulden oder Kürzung von Sozialleistungen finanzierbar, was die SPD ablehne. Der CDU-Wirtschaftsflügel fordert hingegen sogar einen schnelleren Soli-Abbau: „Der geplante erste Schritt beim Abbau muss nun vorgezogen werden und zügig kommen, am besten schon in diesem Jahr“, so Unionsfraktions-Vize Carsten Linnemann (CDU). Bislang plante die GroKo für 2021 eine Entlastung für 90 Prozent der Soli-Zahler.

Die Union kritisierte derweil Pläne der SPD, die geplante Grundrente nicht nur aus Steuermitteln, sondern auch aus den Rücklagen der Rentenkasse zu finanzieren.

„Die SPD will augenscheinlich insbesondere in die Rücklagen für schlechte Zeiten greifen: Ich halte das für unverantwortlich“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Das ist kein seriöser Weg, um eine Grundrente zu finanzieren.“ Die SPD könne offensichtlich die erklärte Absicht, die Grundrente aus Steuern zu finanzieren, „zumindest in Teilen nicht einhalten“, so die CDU-Chefin weiter. Die Grundrente sei „ein wichtiges Projekt“. „Aber das, was wir bisher von den Plänen wissen, ist in der Finanzierung nicht seriös.“

Der Deutsche Städtetag mahnt angesichts der Debatte um Grundrente und Soli-Abbau finanzielle Unterstützung auch für die Kommunen an. „Die Städte appellieren an die Koalition, jetzt nicht vorrangig über neue Ausgaben zu reden, sondern erst einmal die finanzpolitischen Hausaufgaben aus dem Koalitionsvertrag abzuarbeiten“, sagte Hauptgeschäftsführer Hartmut Dedy.

So habe die Große Koalition eine weitere Beteiligung an den Flüchtlingskosten zugesichert. „Darauf legen die Städte größten Wert. Denn vor allem die Integration von Flüchtlingen ist eine Daueraufgabe und findet zum großen Teil vor Ort in den Kommunen statt“, sagte Dedy, der vor einer Absenkung der Finanzhilfen des Bundes von derzeit 4,7 Milliarden Euro jährlich auf 1,3 Milliarden Euro warnte.

Der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Stelter hält die Grundrenten-Debatte sowie die Rente mit 63 für beispielhaft dafür, „dass Deutschland zu viel für die Vergangenheit und zu wenig für die Zukunft ausgibt: Während wir die Renten aufpumpen, sparen wir bei Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung und Forschung“, so Stelter im „Spiegel“.

Eine weitere Bedrohung für die Exportnation Deutschland bedeutet der weltweite Handelskrieg. US-Präsident Donald Trump könnte der ohnehin angeschlagenen deutschen Auto-Branche jetzt einen weiteren Schlag versetzen: Am kommenden Samstag will Trump verkünden, ob er für deutsche Autos 25 Prozent Strafzoll verhängt. Laut dem britischen Analysten Evercore ISI würde der US-Strafzoll für BMW, Daimler und VW jährliche Verluste in Höhe von gut sechs Milliarden Euro bedeuten. Die drei großen Autobauer würde rund 650 000 Autos pro Jahr weniger verkaufen.

Die Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft steckt ohnehin in Schwierigkeiten: Der Diesel-Skandal hat das Ansehen der deutschen Autobauer weltweit beschädigt. Und in Sachen E-Mobilität und Zukunftstechnologien hat Deutschland derzeit kaum noch einen Technologievorsprung im Vergleich zur chinesischen oder US-Konkurrenz. Die Batteriezellentechnik, zentral für das Auto der Zukunft, wird vor allem in China und Südkorea produziert.

Auch in anderen Bereichen hängen die Chinesen Deutschland zunehmend ab: Chinas Unternehmen reichen siebenmal so viele Patente ein wie deutsche. Die Pekinger „Global Times“ spottet schon über den „Überlegenheitskomplex“ der Deutschen, die „sich an Chinas Aufstieg noch gewöhnen“ müssten.

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