Bundeswehr baut „Heimatregiment“ in Bayern auf

von Redaktion

Reservisten stehen für Einsatz im Inneren bereit – bei Erdbeben, Epidemien, Flut und Anschlägen

München – Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren war näher, als viele heute noch wissen. Beim Amoklauf im Münchner OEZ 2016 wurde konkret über den Einsatz von Bergepanzern zur Verletzten-Rettung während der Schießerei gesprochen, auch die Feldjäger und weitere Einheiten waren in Bereitschaft. Die trockene Theorie-Debatte, wann die Truppe wo im Inland aktiv werden darf, war da plötzlich recht greifbar.

Inzwischen ist der Streit über die Bundeswehr im Inneren aus der Öffentlichkeit verschwunden. Umso spannender: Mit einer neuen Reservisten-Einheit schafft das Verteidigungsministerium nun Fakten. Bayern bekommt in einem bundesweiten Pilotprojekt ein „Landesregiment“, das aus 500 Reservisten besteht. Kernaufgabe: Liegenschaften der Bundeswehr sichern und im Fall von Katastrophen und Terrorangriffen schnelle Hilfe leisten.

Am Samstag stellt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die neue Einheit feierlich in Dienst. Dass sie und Ministerpräsident Markus Söder zum Festakt aufmarschieren, zeigt die Bedeutung des Projekts. In Zeiten schrumpfender Truppen, verlassener Kasernen und wachsenden Desinteresses an der Bundeswehr soll das Regiment ein Gegensignal sein.

Treibende Kraft im Hintergrund war Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Seit einem Jahrzehnt schickt er Briefe und Konzepte nach Berlin. „Wir reden von Lagen, in denen wir extrem viel Personal brauchen“, sagt er. Musterbeispiel ist das Hochwasser 2013 in mehreren Regierungsbezirken, wo die Bundeswehr half. Ein Flut-Alarm kann oft zwei, drei Tage im Voraus erahnt werden. Bei Terror-Situationen oder Amokläufen gibt es null Vorlauf. „Wir haben gelernt: Das muss alles etwas schneller gehen“, sagt Herrmann. Er verweist auch auf die Erfahrung aus großen Übungen in den vergangenen Jahren. Wenn ein eigenes Reservisten-Regiment organisatorisch bereit steht, helfe das – „gerade in der jetzigen Zeit, wo wir wesentlich weniger aktive Soldaten im Land haben als vor 20 Jahren“.

Elf Einsatz-Szenarien hat er ausgearbeitet: vom Hochwasser über Waldbrände, Erdbeben, Chemie-Explosionen, „schmutzige Bomben“ bis hin zu Epidemien, Ausfall von Strom und Trinkwasser und Unfällen im AKW. Die Reservisten sollen je nach Lage mit Hubschraubern, Notstrom, Drohnen, Sanitätseinheiten und Notunterkünften helfen – oder auch einfach beim Sandsackstapeln.

Eine Wundertüte ist das neue Landesregiment nicht, eigentlich bündelt es zunächst drei Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSU) in Franken und hat seinen Sitz in München. Über jeden Einsatz entscheidet die Bundeswehr, nicht Staatsregierung oder Landräte. Die Absprachen sollen aber schneller gehen. Und: Der Name ist einprägsamer. Herrmann spricht vom „Heimatregiment“, die Bundeswehr sogar von „Heimatschutz“. Was eine „RSU-Kompanie“ sei, wisse ja „kein Normalmensch“, sagt er. Die neue Einheit soll wieder etwas mehr Verbundenheit zwischen Land und Armee signalisieren. „Für die Präsenz der Bundeswehr ist es wichtig, dass wir das Potenzial der Reservisten besser nutzen.“

Herrmann ist übrigens selbst einer, Oberstleutnant der Reserve. Am Regiments-Start am Samstag will er in Uniform teilnehmen.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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