Die Milliarden des stillen Ministers

von Redaktion

Der Landtag berät den dicksten Etat in Bayerns Geschichte. Die Koalition hat das 125-Milliarden- Paket trotzdem eher leise geschnürt. Das liegt an der Arbeitsweise des neuen Finanzministers.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Minuten vor der Haushaltsdebatte sitzt die Hauptperson weitgehend unbeobachtet auf einer Bank im Steinernen Saal des Landtags. Albert Füracker lehnt den Kopf an die kühle Wand hinter sich, schaut sich den Kronleuchter an der Decke gründlich an und brummt: „Es war ein Kraftakt. Ich bin jetzt eigentlich froh.“

Der Finanzminister wirkt etwas erleichtert und etwas erschöpft, in der Summe aber zufrieden. Er hat dem Parlament soeben seinen Haushalt vorgelegt. Drei Tage lang, noch bis Donnerstag, diskutieren die Abgeordneten von morgens bis abends die Zahlen. Es wird wütende Widerworte der Opposition geben, aber eine stabile Mehrheit von CSU und Freien Wählern. Vermutlich werden sie am Etat kaum eine Zahl ändern.

Für Füracker ist es der erste Doppelhaushalt, den er selbst verantwortet. Finanzminister zu sein, ist eine mächtige Position, aber bisweilen eine unangenehme. Bis der Etat steht, muss er die heiklen Gespräche mit den Ministerkollegen führen. Das klingt seriös, geht aber nicht anders zu als auf dem Basar: Sie fordern möglichst viele Stellen und dicke Etats, er weist das entrüstet zurück, am Ende trifft man sich in der Mitte.

Bei den früheren Finanzministern, vor allem bei Markus Söder und Kurt Faltlhauser, soll es bisweilen laut geworden sein. Faltlhauser wies Gästen gern einen Sitzplatz zu mit den spöttischen Worten: „Hier sitzt der Finanzminister, dort die Delinquenten.“ Füracker hingegen verhandle sehr höflich, berichtet ein erfahrener Minister.

Ruhig, ohne Rempeleien: Das entspricht dem Stil des Oberpfälzers. Füracker, gelernter Landwirt und Polit-Quereinsteiger, speist seine Autorität daraus, dass er im kleinen Kreis offen Klartext spricht, nicht hintenrum intrigiert. Auch Schlagzeilen sind ihm eher egal. Wem seine Loyalität gehört, weiß eh jeder: Mit Söder verbindet ihn eine stabile Freundschaft.

Den Chef als engen Verbündeten zu haben, ist eine Hilfe. Ihn als Vorgänger zu haben, nicht unbedingt. Bayerns Finanzminister verstecken vor ihren ausgabefreudigen Parteifreunden gern mal ein paar Milliardenreserven (im „Giftschrank“, sagte Faltlhauser). Söder kennt die Tricks allerdings selbst alle.

Dem Haushalt ist das anzumerken. Füracker mag manchen Wunsch wieder wegverhandelt haben – die Grundlinie ist aber extensiv. Der Doppel-Etat 2019/20 umfasst 124,7 Milliarden Euro. Fürackers Problem: Auf Söders Wahlversprechen Mitte 2018 (Familiengeld, Pflegegeld, Lehrer- und Polizeistellen) kamen noch die Vorhaben des Koalitionsvertrags mit FW-Chef Hubert Aiwanger, darunter die neuen Kita-Zuschüsse. Laut Plan muss Bayern 3,6 Milliarden Euro aus der Rücklage nehmen. Nur 0,5 Milliarden pro Jahr gehen in die Tilgung, das Ziel der Schuldenfreiheit 2030 ist so nicht zu halten.

Die Opposition kritisiert das scharf. Der Etat „ächzt unter der Last der Wahlschulden, die das Regierungsduo Söder und Aiwanger aufgenommen hat“, klagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Den Menschen sei „das Blaue vom Himmel versprochen“ worden, dabei blieben wichtige Maßnahmen etwa beim Klimaschutz auf der Strecke. Von einem „Schönwetterhaushalt“ spricht Martin Hagen (FDP). Das sei „unverantwortlich“. Nur die FDP habe 1,7 Milliarden Euro Einsparvorschläge vorgelegt.

Fürackers Glück: Die neue Steuerschätzung weist für Bayern – gegen den Bundestrend – noch mal nach oben. Und der Haushaltsvollzug 2018 lief sparsamer als erwartet. Der Griff in die Rücklage wird kleiner, intern ist von einer Milliardenentlastung die Rede. Füracker mag es nur vor der Abstimmung am Donnerstag nicht laut sagen. Damit keiner auf den gefährlichen Gedanken kommt, es sei noch mehr Geld da.

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