Urteil zur Arbeitszeit

Flexibilität auf beiden Seiten

von Redaktion

MIKE SCHIER

Auf den ersten Blick sind die Fronten klar: Jubel bei den Gewerkschaften, Ärger bei den Arbeitgebern – weil der Europäische Gerichtshof Arbeitgeber in der EU verpflichtet, die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter vollständig zu erfassen. Die Botschaft der Richter: Arbeit hat Grenzen. Von Grundrechten ist die Rede und von Menschenwürde.

Das Urteil zeigt, wie schwer sich alle Beteiligten mit der neuen Arbeitswelt tun. Denn die Anforderungen verschieben sich für alle: Arbeitnehmer bekommen auch am Wochenende Dienstmails oder wichtige Anrufe aufs Handy. Umgekehrt wird von Arbeitgebern erwartet, dass sie Mitarbeitern Home-Office ermöglichen, dass Mütter und Väter in Teilzeit arbeiten können und generell die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird.

All dies verlangt Flexibilität. Auf beiden Seiten. Vor diesem Hintergrund wirkt das Urteil wie eine Maßnahme aus einer anderen Zeit. Es mag helfen in Großunternehmen (in denen Arbeitszeiterfassung ohnehin oft üblich ist) oder in Branchen, in denen Mitarbeiter systematisch ausgebeutet werden. Doch in Start-ups, Kleinstbetrieben oder IT-Firmen, die eine ganz andere Firmenkultur leben, dürfte die Zeiterfassung am Alltag wenig ändern.

Mike.Schier@ovb.net

Artikel 11 von 11