Sotchi – Die gut vier angesetzten Stunden in der Sommerfrische am Schwarzen Meer dürften für US-Außenminister Mike Pompeo kaum ausgereicht haben. Viel zu groß ist die Zahl der Probleme zwischen Washington und Moskau, um sie in einem Ritt zu lösen. Zu groß auch die Unterschiede bei den Konflikten im Iran, in Venezuela oder in Syrien. Pompeo und sein Gastgeber Sergej Lawrow teilten in Sotschi einmal mehr vor laufenden Kameras gegeneinander aus: Der Amerikaner verbat sich vorsorglich eine Einmischung in die US-Präsidentenwahl 2020; der Russe kritisierte, dass Washington sich immer schon in innere Angelegenheiten anderer Staaten einmische.
Dass Lawrow und Pompeo sich nichts schenken, haben sie selbst immer wieder gezeigt. Aber diesmal stehen sie in Sotschi auch freundlich zusammen, weil es die Präsidenten ihrer Länder gern so hätten – für bessere Beziehungen der beiden Staaten. Nach dem öffentlichen Schlagabtausch traf der US-Gast bei seinem ersten Russland-Besuch als Außenminister auch Wladimir Putin, der von einem Besuch bei einem Rüstungskonzern kam.
Der frühere KGB-Offizier Putin und der Ex-CIA-Chef Pompeo hatten neben ihrer Geheimdienstvergangenheit einen weiteren Anknüpfungspunkt. Beide dienten im Kalten Krieg auch in Deutschland – Pompeo im Westen, Putin in der DDR. Die Gegner von einst wollten, das sollte Pompeos Besuch zeigen, angesichts der immer schärferen Dauerkonfrontation wieder intensiver miteinander reden. Donald Trump hatte mit Putin am 3. Mai länger telefoniert. Und dabei herrschte wohl Einigkeit, dass die Lage in vielen Konflikten so verfahren ist, dass Washington und Moskau zusammenkommen müssen, um Lösungen zu finden.
Gemeinsamkeiten gibt es durchaus – etwa im Kampf gegen den Terror oder in Afghanistan. Und zumindest Lawrow – sonst sehr zurückhaltend mit Zuversicht – sprach von einem „gewissen Optimismus“ angesichts der US-Charmeoffensive. Erst am 6. Mai hatten er und Pompeo sich in Finnland getroffen.
Russland sah in Pompeos „wichtigem“ Besuch vor allem den Versuch, die „Trümmer im Verhältnis“ beider Seiten wegzuräumen. Die Beziehungen sind vor allem deshalb auf einem Tiefpunkt, weil die USA seit Beginn des Ukraine-Konflikts vor gut fünf Jahren immer wieder neue Sanktionen verhängt haben gegen Russland.
Hinter Pompeos Visite vermuten die Russen außerdem das Ziel, dem US-Präsidenten zu einem ersehnten außenpolitischen Erfolg zu verhelfen. Chancen gibt es wohl nach den Äußerungen der beiden Chefdiplomaten beim New-Start-Vertrag über die Kontrolle atomarer Angriffswaffen. Der Vertrag von 2010 sieht vor, die Nukleararsenale auf je 800 Trägersysteme und 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe zu verringern. Er läuft 2021 aus, könnte aber verlängert werden.
Seit einem Besuch von Trumps Russland-Beraterin Fiona Hill im Kreml im April sprießen zudem Spekulationen ins Kraut, Washington und Moskau könnten einen Deal anstreben: Russland fährt die Unterstützung für Präsident Nicolás Maduro im Machtkampf in Venezuela etwas zurück. In dem ölreichen Land will Washington den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó an der Macht sehen. Im Ukraine-Konflikt wiederum könnten die USA im Gegenzug ihr Engagement bremsen – und zum Beispiel aufhören, gegen die von Kiew bekämpfte Ostseepipeline Nord Stream 2 Stimmung zu machen.