München – Dafür, dass er gleich rhetorisch verhauen werden soll, legt Markus Söder eine fast aufreizende Gelassenheit an den Tag. Minuten vor seiner Rede schlendert er noch mal aus dem Plenarsaal, läuft in die Arme einer neugierigen Schülergruppe und beantwortet all ihre Fragen zu seiner Jugend. Zurück im Saal, bleibt er hinter der letzten Reihe stehen, lehnt sich an eine Wand und plaudert mit Parteifreunden, Hände in der Hosentasche.
So soll ein Regierungschef vor der Generaldebatte über seinen Haushalt aussehen? Söders Gelassenheit hat eine Ursache: Als er endlich ans Pult tritt zu seiner Rede, präsentiert er dem Landtag eine dicke Überraschung. Der Ministerpräsident meldet einen Jahresüberschuss für 2018 von 4,2 Milliarden Euro. Das ist selbst im fetten Bayern-Etat viel Geld. Vor allem untergräbt es eine Kritiklinie mehrerer Oppositionsredner, die direkt nach dem CSU-Chef auftreten sollen. Sie wollten beklagen, dass Söder für seinen Etat die Rücklagen plündere, für seine Wahlgeschenke Bayerns letzte Reserven anzünde. Man sieht nach Söders Worten eine gewisse Hektik bei manchen Oppositionsleuten aufkommen. bei den Grünen liegt zumindest dann eine Mappe „Sehr eilige Korrektur“ auf dem Tisch.
Dabei bleibt ein zentraler Vorwurf: 2019/20 gibt Bayern extrem viel aus, fast 125 Milliarden Euro insgesamt. Die Zusagen von Söder vor der Wahl und den Freien Wählern nach der Wahl bringen den Etat fast zum Bersten, trotz der nun etwas aufgefüllten Rücklage, die Ende 2020 bei rund 6,5 Milliarden Euro liegen soll. Sogar der Oberste Rechnungshof hatte Söder jüngst übermäßige Ausgabensteigerungen und einen drohenden Wortbruch beim Schuldenabbau vorgeworfen.
Söder weiß das und geht in seiner Rede breit darauf ein. „Bayern lebt finanziell nicht an der Kante“, sagt er. Das sei nicht „Zufall, Lotterie, Dusel, sondern harte Arbeit“ gerade in der Wirtschaftspolitik. Er verteidigt die Mehrausgaben. „Wir dürfen nicht satt werden, nicht müde werden. Stillstand ist schlecht.“ Ein Land brauche nicht nur digitale Strategien, sondern auch „soziale Wärme“.
Die Opposition bleibt im Kern bei ihrer Kritik. Rekordhaushalt, das stimme, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann, „aber Sie schaffen es nicht, die Weichen für mehr Klimaschutz und Naturschutz zu stellen“. Zu wenig Windkraft, zu wenig Wärmedämmung, dazu Förderprogramme für Ölheizungen, die „einfach nur blöd“ seien, schimpft Hartmann. „Ein dicker Geldbeutel ist kein Garant für gute Politik.“
Söder reagiert auf die Kritik betont desinteressiert, widmet sich seinem Handy, dreht sich mit dem Rücken zum Plenum oder reibt sich die müden Augen. Immerhin: Er kam ja auch am frühen Morgen erst vom Koalitionsausschuss aus Berlin zurück. Gegenwind an diesem Tag ist erwartbar: Die Einzeldebatte über den Etat der Staatskanzlei ist traditionell die Gelegenheit zur jährlichen Generalaussprache über die Regierungspolitik.
SPD-Chefin Natascha Kohnen wirft Söder dem Ritual folgend „Unehrlichkeit und Arroganz“ vor, weil er sich mit Geldern aus Berliner Förderprogrammen brüste. Sie verlangt mehr Ausgaben für die Kita-Qualität. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner klagt, Söder verteile einen „warmen Regen“ staatlicher Mehrausgaben, „damit niemand aufmuckt“. FDP-Fraktionschef Martin Hagen konstatiert: „Ihnen sitzt einfach der Geldbeutel zu locker.“ Das zeige allein die Tatsache, dass Söder in der Staatskanzlei 130 zusätzliche Stellen schaffe.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER