Berlin – Es ist viel von „Arbeitshypothesen“ die Rede, wenn man sich eineinhalb Wochen vor den wichtigen Wahlen am 26. Mai in der schwarz-roten Koalition umhört. Eine der wichtigsten in der Union lautet: Wir gehen davon aus, dass die Regierung bis zum regulären Ende 2021 hält. Und auch in der SPD will man offiziell nichts von einem vorzeitigen Ende des Bündnisses wissen.
Die Ergebnisse des letzten Koalitionsausschusses vor der Europa- und der für den Zustand der Partner möglicherweise noch wichtigeren Bremen-Wahl Ende des Monats waren eher schmal. Und doch gab es am Tag nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt ein gemeinsames Ziel: Nur keine neue Unruhe in das Bündnis bringen. „Die Koalition ist stabil – auch nach der Wahl“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider.
Selbst die Generalsekretäre von CDU und SPD, Paul Ziemiak und Lars Klingbeil, die sonst keiner öffentlichen Rauferei aus dem Weg gehen, zeigen sich am Mittwochmorgen nach den vierstündigen Beratungen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von der sanften Seite. „Die Stimmung ist gut und sachlich zwischen CDU und SPD“, befindet Ziemiak im ARD-„Morgenmagazin“. Eine halbe Stunden später sagt auch Klingbeil in der Sendung: „Dass wir gestern jetzt zu einer sehr vernünftigen Lösung gekommen sind, dass zeigt ja auch, dass diese Regierung arbeitsfähig ist.“
Doch die ungewöhnliche Rücksicht darf nicht über die tatsächlich schon wieder sehr kippelige Lage der Regierung hinwegtäuschen. Die Koalition sei insgesamt in einer nicht ganz einfachen Phase, räumen auch erfahrene Unionspolitiker hinter vorgehaltener Hand ein. Auch die Tatsache, dass sich die Koalitionsrunde in ihren nächtlichen Beratungen auf Regeln für bessere Arbeitsbedingungen für Paketboten (Punkt für die SPD) und ein Bürokratie-Entlastungsgesetz (Punkt für die Union) geeinigt hat, kann andere tiefe inhaltliche Zerwürfnisse nicht kaschieren.
Zentrale Vorhaben der Koalition kommen nicht voran. Es wirkt seit Längerem so, als ob sich alle Seiten schon für einen möglichen vorgezogenen Bundestagswahlkampf profilieren. Nur weiß keiner, ob die von Anfang an von vielen ungeliebte Koalition tatsächlich schon knapp zwei Jahre nach der Bundestagswahl endgültig kippen könnte. Dass die Schockwellen eines Wahlbebens am 26. Mai auch die politischen Verhältnisse in Berlin durcheinanderwirbeln, mag aber auch niemand ausschließen.