„Bezahlbaren Wohnraum schafft man so nicht“

von Redaktion

Ex-Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier ist gegen Enteignungen und macht der Politik Vorwürfe

München – Immobilienkonzerne zu enteignen, wird als Option im Kampf gegen die Wohnungsnot seit Monaten diskutiert, bis hin zu Plänen eines Volksbegehrens. Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat dazu eine klare Meinung.

Angesichts knappen Wohnraums und hoher Mieten fordern viele Menschen Enteignungen großer Wohnungsgesellschaften. Wäre das vom Grundgesetz gedeckt?

Das Grundgesetz gestattet in Artikel 15 zwar ausdrücklich die Vergemeinschaftung von Grund und Boden. Der Artikel verlangt aber im Gegenzug zwingend eine Entschädigung der Eigentümer. Angesichts der dabei wohl zu berücksichtigenden Verkehrswerte dürfte das in Berlin wohl sehr teuer werden. Ich halte gar nichts davon, ohne wirkliche Reform des Bodenrechts bestimmten Unternehmen das Eigentum zu entziehen, um es dann in eine völlig ungeklärte Form von Gemeineigentum zu überführen. Das dürfte auch den ebenfalls im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz verletzen, der selbstverständlich auch für Unternehmer gilt, Artikel 3. Bezahlbaren Wohnraum in Ballungsgebieten schafft man so jedenfalls nicht.

Das Grundgesetz verspricht das Recht auf Eigentum und das Recht auf Freiheit. Wie hängt beides zusammen?

Unmittelbar. Eigentum soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Einzelnen gewährleisten, und zwar auf ökonomischem Gebiet. Für die Freiheit ist die Eigentumsgarantie in Artikel 14 von ganz entscheidender Bedeutung. Allerdings unterliegt die Eigentumsgarantie der Sozialbindung.

Das heißt also: Eigentümer wissen am besten zu schätzen, was Freiheit bedeutet?

Meines Erachtens ist es ein Problem, dass man über Jahrzehnte versäumt hat, eine Politik zu betreiben, welche auf die Schaffung und Begründung von Eigentum abzielt. Wir haben ja in Deutschland und speziell in Berlin europaweit eine der geringsten Raten an Wohneigentum. Die Förderung von Eigentumsbildung aber hätte eine Grundaufgabe des Staates sein müssen. Ohne sie ist nicht ohne Weiteres gewährleistet, dass der prinzipielle Zusammenhang von Freiheit und Eigentum von einer Gesellschaft verstanden und verteidigt wird, die überwiegend aus Nicht-Eigentümern besteht.

Interview: Tibor Pézsa

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