Strache in der Oligarchen-Falle

von Redaktion

Ein heimlich gedrehtes Video rüttelt Österreichs Politik durcheinander. Heinz-Christian Strache, der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, wurde 2017 beim Anbahnen eines extrem heiklen, womöglich illegalen Pakts mit einer jungen Russin gefilmt.

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND MATTHIAS RÖDER

Wien – Der Parteivorsitzende wähnt sich unbeobachtet, und er benimmt sich so. Heinz-Christian Strache fläzt im weit ausgeschnittenen T-Shirt in den weichen Polstern eine Villa auf Ibiza, isst Thunfischtartar und Seebarsch-Carpaccio, trinkt Champagner und Red Bull, raucht eine Zigarette nach der anderen. „Bist Du deppert“, ruft er zu später Stunde, angetrunken wirkt das.

Es sieht nach zutiefst privaten Szenen eines Urlaubs aus und könnte doch eine Regierungskrise in Österreich auslösen. Die heimlichen Aufnahmen vom Juli 2017 zeigen, wie der FPÖ-Chef und heutige Vizekanzler mit einem seiner engsten Vertrauten von Unbekannten in eine Falle gelockt wurde. Unter Einfluss von Alkohol soll er – kurz vor der Wahl – mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte darüber geredet haben, ihr als Gegenleistung für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge zuzuschanzen.

Drei Medien zitierten am Freitagabend ausführlich aus den gut sechsstündigen Videos und stellten kleine Teile davon online: „Spiegel“, SZ und der österreichische „Falter“. Der „Spiegel“ schreibt, die junge Frau – ein Lockvogel – habe Strache gegenüber angegeben, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete an, dass es sich um Schwarzgeld handle. Strache und sein Vertrauter Johann Gudenus, heute FPÖ-Fraktionsvorsitzender, führten das Gespräch interessiert fort.

Sie besprachen die Option, die einflussreiche „Kronen Zeitung“ (vereinfacht gesagt: eine Art „Bild“ für Österreich) durch die angeblich schwer reiche Frau zu übernehmen. „Wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden“, sagte Strache in den Videos. Damals, drei Monate vor der Wahl, lagen Konservative, Sozialdemokraten und FPÖ in Umfragen dicht beieinander. Strache schlug laut den Berichten zudem vor, die Frau solle eine Baufirma parallel zum österreichischen „Strabag“-Konzern aufmachen. „Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.“ Er brachte zudem getarnte Parteispenden an einen FPÖ-nahen Verein ins Gespräch.

Strache (49) und Gudenus (42) räumten das Treffen gegenüber den Medien ein. Es sei „rein privat“ in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre“ gewesen, „mit viel Alkohol“, teilte Strache schriftlich mit. „Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen.“ In der Tat ging er auf mehrere Vorschläge des Lockvogels nicht ein oder wich aus.

Wer die Falle mit versteckten Kameras und Mikrofonen aufgestellt hat, ist völlig unklar. Österreichs Regierung um den konservativen Kanzler Sebastian Kurz könnte das erschüttern. Seit mehreren rechtsradikalen Ausfällen in der FPÖ und dem wüsten Streit mit dem öffentlich-rechtlichen Sender ORF ist das Koalitionsklima arg gespannt. Kurz legt auf Transparenz und gepflegte Umgangsformen in der Politik großen Wert – für ihn dürfte das Video, in dem sein Vize Strache unter anderem auch über Drogenmissbrauch und Homosexualität plaudern soll, sehr befremdlich sein.

Auch der ORF-Ärger wird von dem Video befeuert. Strache wird zitiert, er wolle „eine Medienlandschaft ähnlich wie der (ungarische Regierungschef Viktor) Orbán aufbauen“, Journalisten seien sowieso „die größten Huren auf dem Planeten“. In Richtung ORF: „Würden wir in einer Regierungsbeteiligung sein, würden wir uns sogar vorstellen können, einen Sender zu privatisieren.“ Die oppositionellen Neos forderten am Abend Neuwahlen, die SPÖ Straches sofortigen Rücktritt.

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