Spitzenkandidaten zur Europawahl

Die Spielregeln müssen gelten

von Redaktion

KLAUS RIMPEL

Bei der Bundestagswahl ist die Sache klar: Die Bürger wählen eine Partei – und der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion wird Kanzler, sofern er eine Koalition hinbekommt. Um die Europawahl aufzuwerten, wurde bei der letzten EU-Wahl dieses demokratische Grundprinzip auch auf die EU-Ebene gehoben. Es ist fatal, dass es jetzt von Emmanuel Macron wieder in Frage gestellt wird. Die Bürger wählen zu lassen, Spitzenkandidaten für alle 28 EU-Staaten zu präsentieren – und am Ende zu sagen: April, April, wir ignorieren euer Votum, liebe Wähler, und mauscheln uns einen EU-Kommissionschef aus? Das wäre ein fatales Signal in diesen dramatischen Zeiten.

Der französische Präsident, der bei uns so gern als überzeugter Europäer wahrgenommen wird, agiert hinter den Kulissen oft national – und in diesem Fall auch parteipolitisch egozentrisch. Er modelt die liberale Fraktion im Straßburger Parlament nach seinem Gusto um, so wie er seine Partei En Marche auf sich zugeschnitten hatte. Und er will mit Margrethe Vestager eine ihm genehme EU-Kommissionspräsidentin aus dem liberalen Lager – aber ohne sie den Bürgern zur Wahl zu stellen.

Die Politiker sprechen in diesen Tagen oft vom „Schicksalswahlkampf“ gegen Populisten, die die EU zerstören wollen. Wenn die Demokraten zeigen wollen, dass die Bürger sehr wohl mitreden dürfen, dann dürfen sie die Spielregeln der Wahl nicht einfach ändern. Macron könnte beweisen, dass er wirklich ein großer Europäer ist.

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