ESC in Tel Aviv

Von der Stange

von Redaktion

MARKUS THIEL

Wo überall nur graues Rauschen, da fallen Farbtupfer schnell und am besten auf. Auch damit erklärt sich der ESC-Sieg für die Wohnzimmer-Ballade aus den Niederlanden – und der respektable zehnte Platz für eine Brachialtruppe aus Island, die zudem das wichtigste Gesetz des Schlagerwettbewerbs brach: nur keine Politik. Als ob eine vierstündige Trällershow im luft- und problemfreien Raum stattfinden könnte, wo doch keine 40 Kilometer entfernt der israelische Erzfeind lauert.

Aller berechtigten Partystimmung zum Trotz: Dies war das durchschnittlichste ESC-Finale seit Langem, in dem eine Madonna neben der Vokalspur als Pausenbespaßung genau richtig aufgehoben war. Viele Nummern von der Stange und aus dem Song-Schlussverkauf. Eine Parade der Mittelmäßigkeit, bei der sogar Themen wie Anderssein, Gleichberechtigung und Toleranz etwas zu demonstrativ und wie eine Pflichterfüllung angeschnitten wurden.

2019 fiel der ESC damit hinter die Revolutiönchen von Netta (Israel), Jamala (Ukraine) oder Loreen (Schweden) zurück. Dass Deutschland 2019 wieder keine Rolle spielte, war angesichts eines nur achtbaren Retortenliedchens erwartbar. Musikalische Risiken gehen inzwischen andere Länder ein. Auch beim ESC gibt es also ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Einer der wichtigsten Geldgeber gehört dabei zu den Fußlahmen.

Markus.Thiel@ovb.net

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