Der Komiker macht ernst: Kaum im Amt hat der frisch gewählte Präsident Wolodymyr Selenskyj das ukrainische Parlament aufgelöst. Sein Ziel ist offensichtlich: Nach seiner überraschend deutlichen Wahl will sich der neue Staatschef eine Machtbasis mit seiner Partei schaffen, die er nach seiner TV-Serie „Diener des Volkes“ benannt hat. Wofür sie steht? Unklar. Sie ist wie der Präsident selbst eine große Projektionsfläche für all die ungehörten Wünsche, auf dass alles besser werde. Irgendwie.
Nun beginnt ein juristisches Tauziehen. Es ist der Kampf der immer noch mächtigen alten politischen Elite gegen eine aufstrebende Neue. Viele sind froh, den Präsidenten und Oligarchen Petro Poroschenko los zu sein. Doch seinem unerfahrenen Nachfolger wird eine große Nähe zum noch reicheren Oligarchen Ihor Kolomojskyj nachgesagt. Das dämpft die Hoffnung. Nach Bekämpfung der Korruption klingt es jedenfalls nicht. Eher droht dem Land ein politischer und wirtschaftlicher Stillstand.
Der Westen beobachtet die Vorgänge in der Ukraine mit einer gewissen Ratlosigkeit. Poroschenko sah man in Berlin, Paris und Brüssel trotz all seiner geschäftlichen Interessen als wichtigen Verbündeten gegen Moskau. Selenskyj weiß man nicht so recht einzuschätzen. Aber es wird den Nato-Partnern nichts anderes übrig bleiben, als sich auch um ihn zu bemühen. Sonst schafft Wladimir Putin mit seiner russischen Minderheit neue Fakten.
Mike.Schier@ovb.net