Kurz’ Bündnis mit der FPÖ

Die Fehler vor dem Sündenfall

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Für viele war es ein Sündenfall, ein Dammbruch, dass ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz 2017 die Koalition mit der FPÖ einging, ihr gar noch das Innenministerium in den Rachen warf. Machte er Rechtspopulisten salonfähig? Die Frage ist sehr berechtigt. Ideologisch ist sie aber nicht zu beantworten, schon gar nicht mit der flammenden Entrüstung des Hinterher-Besserwissens. Kurz fand zur Koalitionsbildung eine verfahrene Situation vor: unwillige andere Partner und Wählerfrust über die ÖVP-SPÖ-Koalition. Ein Gedankenspiel: Bei wie viel Prozent läge die FPÖ heute, hätte eine GroKo, am Ende so lahm und gestaltungsmüde wie in Berlin, weiterregiert?

Auch wenn es ein schwer verdaulicher Widerspruch ist: Kurz’ Regierung hat inhaltlich oft gut gearbeitet, gerade in der Innen-, Steuer- und Haushaltspolitik; gleichzeitig hat sich Kurz’ Partner FPÖ als nicht regierungsfähig, ja, als Last und in Teilen als Schande fürs Land erwiesen.

Wer Kurz dafür verdammen will, sollte die Ursachen früher suchen. In Österreich versagten fast alle Parteien über Jahre hinweg darin, Wählerklientel zu binden. Die SPÖ vernachlässigte als lethargische, im Filz verfangene, oft städtische Partei die Sorgen der kleinen Leut’. Landesweit fehlt, wohl bis heute, eine prägende liberale Kraft, die Nationalliberale von der FPÖ abziehen kann. Gleichzeitig band die ÖVP zu schwach die Nationalkonservativen an sich – jene also, denen Integrität und Vaterland wichtig sind, die erst jetzt in Strache die Muster der Bananenrepublik erkennen. Von ihnen wenden sich erst mal nun viele von der FPÖ ab. Mit seiner erneuerten ÖVP könnte Kurz ihnen eine Heimat bieten und so den Effekt verstetigen. Er sollte vielleicht nicht der einzige bleiben.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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