Rom – Matteo Salvini befindet sich auf Kreuzzug. Wo immer er in der heißen Phase des Europawahlkampfs auftaucht, schwenkt er in der Faust den Rosenkranz, ruft den lieben Gott und die Madonna um Hilfe für den Wahlsieg an, küsst das kleine Kruzifix, das er bei sich trägt.
So auch bei der Großkundgebung der vereinten Rechtsextremisten aus der EU – dabei auch AfD-Chef Meuthen – am Wochenende in Mailand. Als der Lega-Chef in seiner Rede Papst Franziskus erwähnt, tönen aus der Menge Pfiffe und Buhrufe. Beobachter waren entsetzt. Doch damit nicht genug. In verschiedenen Interviews verteidigte Salvini seinen Auftritt und verstieg sich gar dazu, zwischen „guten und schlechten Päpsten“ zu unterscheiden. Zur ersten Gruppe gehörten seiner Ansicht nach Johannes-Paul II. und Benedikt XVI.; Papst Franziskus hingegen verortete er in der zweiten Kategorie. Ein Affront.
Nicht zum ersten Mal liegen Lega und Kirche bei politischen Themen über Kreuz; bei Migration und Grundrechten kam es schon öfters zum Schlagabtausch. Doch diesmal war es der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Seitdem schwappt eine Welle der Empörung durch Italien. Von einem „schweren Missbrauch Gottes und des Glaubens zu Wahlkampfzwecken“ sprach die italienische Bischofskonferenz. „Mit dem Rosenkranz in der Hand wird gebetet, nicht politisch demonstriert.“ Und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erklärte: „Es ist sehr gefährlich, den Namen Gottes für eigene Zwecke zu entfremden. Parteipolitik spaltet, Gott eint.“
Ein enger Vertrauter des Pontifex, der Jesuit Antonio Spadaro, schrieb auf Facebook: „Die biblische Reaktion Christi auf die Instrumentalisierung des heiligen Namens Gottes war die Vertreibung der Händler aus dem Tempel.“ Die Tageszeitung „Avvenire“ kommentierte: „Politische Agitation mit dem Rosenkranz und Pfiffe gegen Papst Franziskus: Wir haben das wahre Gesicht der Antieuropäer gesehen.“
Aus dem Umfeld von Papst Franziskus wurde süffisant vermerkt, Salvini habe schon mehrmals um eine Privataudienz nachgesucht; doch der Heilige Vater wolle ihn nicht sehen. Auch der Bündnispartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, ging auf Distanz. „Salvini sollte sich lieber um seine Aufgaben als Innenminister kümmern“, ließ Vizepremier Luigi di Maio ausrichten. Ungelegen kommen dem Koalitionspartner die Tiraden des Lega-Chefs allerdings nicht. Im Bemühen der Linken, sich ein gemäßigteres Image zuzulegen und verstärkt um die bürgerliche Mitte zu werben, könnte ihnen „Bürgerschreck Salvini“ letztlich neue Wähler zutreiben.
Während die Oppositionsparteien kraftlos wirken, so der Tenor in den Medien, nehme nun die katholische Kirche deren Rolle ein und sei zum Hauptgegner der Rechtsextremisten avanciert. Es sei ein bisschen so wie vor 50 Jahren mit Don Camillo und Peppone, schreibt der römische „Messaggero“. Nur, dass der Widersacher diesmal nicht links, sondern rechts stünde. INGO-MICHAEL FETH