May verliert eine Ministerin

von Redaktion

Andrea Leadsom, zuständig für Parlamentsfragen, tritt zurück – auch für ihre Chefin scheinen die Tage gezählt

London – Die britische Premierministerin Theresa May hat mit einer Kampfrede im britischen Parlament für ihre jüngsten Pläne zum EU-Austritt nicht den erhofften Durchbruch geschafft. Stattdessen trat ihre Ministerin für Parlamentsfragen, Andrea Leadsom, aus Protest gegen ihre Pläne am Mittwochabend zurück. Außerdem wurden Forderungen nach ihrem eigenen Rücktritt auch in den eigenen Reihen lauter.

„Wir müssen den Brexit durchziehen“, sagte May im Unterhaus. Sie will ihren bereits drei Mal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal Anfang Juni im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ein viertes Mal vorlegen. Dafür kündigte sie Zugeständnisse an Opposition und Brexit-Hardliner an.

Unter anderem stellte May eine Abstimmung darüber in Aussicht, ob es ein Referendum über ihr Austrittsabkommen geben solle. Den Gesetzentwurf selbst will sie morgen veröffentlichen. Doch die Reaktionen fielen vernichtend aus.

Noch am Abend gab Mays Ministerin für Parlamentsfragen Leadsom ihr Amt auf. Sie glaube nicht, dass der Ansatz der Regierung den Wählerwillen aus dem Brexit-Referendum von 2016 erfülle, schrieb Leadsom. Die jüngsten Gesetzesinitiativen zum EU-Austritt seien vom Kabinett weder vernünftig geprüft noch gebilligt worden. Indirekt riet sie May zum Rücktritt: „Ich fordere Sie jetzt auf, die richtigen Entscheidungen im Interesse des Landes zu treffen.“

Leadsom nahm als „Leader of the House of Commons“ eine zentrale Rolle im Kabinett der Premierministerin Theresa May im Konflikt mit dem Parlament ein. Die Brexit-Befürworterin war nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt 2016 und dem Rücktritt von David Cameron als Regierungschef zunächst gegen May angetreten, hatte sich dann aber aus dem Rennen zurückgezogen.

Oppositionschef Jeremy Corbyn bezeichnete Mays Vorschläge als „wenig mehr als eine neu verpackte Version“ des bereits mehrfach abgelehnten Abkommens. Zudem könne May nicht dafür garantieren, dass sich ihr Nachfolger an ihre Versprechungen halten werde. May habe nur noch Tage im Amt. Er forderte eine Neuwahl.

Mehrere konservative Abgeordnete fordern May direkt zum Rücktritt auf. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Tom Tugendhat, rief May dazu auf, ihren Rücktritt nach der britischen Wahl zum Europaparlament anzukündigen. „Es gibt noch eine letzte Gelegenheit, es richtig zu machen und in geregelter Weise zu gehen“, schrieb er in der „Financial Times“. Umfragen sagen eine krachende Niederlage für die Tories voraus.

Noch am Abend beriet der 1922-Ausschuss der Konservativen Partei. Das Gremium ist für die Organisation der Wahl und auch der Abwahl des Parteichefs zuständig. Spekuliert wurde, das Gremium könne die Regeln ändern, um ein schnelles neues Misstrauensvotum gegen May als Parteichefin und damit als Premierministerin zu ermöglichen. Bislang kann ein Misstrauensvotum nur einmal in zwölf Monaten stattfinden. Ein Versuch war im vergangenen Dezember gescheitert. Zu der Regeländerung kam es am Ende nicht, doch wird May morgen den Ausschussvorsitzenden Graham Brady treffen. C. MEYER/C. OELRICH

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