ALEXANDER WEBER
Ach, wären doch die ersten Eilmeldungen aus London wahr gewesen – man hätte ein „Glas Champagner öffnen“ können, wie Edmund Stoiber es einst so herrlich formulierte. „May will Parlament über zweites Referendum abstimmen lassen“, rauschte es über alle Nachrichtenkanäle. Leider entpuppte sich der „kühne Plan“ der Premierministerin rasch – und wieder einmal – als alter Wein in neuen Schläuchen. Das Echo auf ihren Versuch, den schon drei Mal versenkten Brexit-Deal neu garniert ein viertes Mal zur Abstimmung zu präsentieren, ist entsprechend verheerend. Mays Taschenspielertrick: Erst den verhassten, aber verbindlichen Deal mit Brüssel verabschieden und dann für die Zeit, in der die Premierministerin bereits Geschichte sein wird, eine zweite Volksbefragung zu versprechen. Das ist eine Provokation.
Dabei hätte ein mutiger Vorstoß für ein zweites Referendum das anhaltende politische Patt im Parlament tatsächlich überwinden und zum Befreiungsschlag werden können. Denn diesmal würden die britischen Bürger zumindest auf der Grundlage von Fakten, wie sie der Deal mit der EU offenlegt, abstimmen und nicht aufgrund von Schauermärchen, wie sie die Brexiteers streuten. Bis zum 31. Oktober wäre genug Zeit.
Mays Realitätsverlust spielt ihrem Brutus Boris Johnson in die Karten. Er muss nur noch das anstehende EU-Wahldebakel der Tories abwarten, um May zu stürzen. Und sich bis zum 1. November durchwursteln. Dann ist er da, der harte Brexit.
Alexander Weber@ovb.net