„Allein sind wir allein“ ist so ein Satz, bei dem man erst mal überlegen muss: Ist das jetzt genial? Oder doch eher trivial? Unstrittig ist zumindest, dass Jan Böhmermann, der Urheber der Zeile, mit dem Liedchen über die Vorzüge eines geeinten Europas einen veritablen PR-Coup gelandet hat. Vieltausendfach angeklickt wurde das Video am Mittwochabend vor allem, weil die User eigentlich neue Enthüllungen zur FPÖ-Affäre erwarteten.
Man muss nicht alles mögen, was Böhmermann so fabriziert. Sein Erdogan-Schmähgedicht zum Beispiel, das politisch und juristisch riesige Wellen schlug, war vor allem unfassbar vulgär. Vieles plätschert bei ihm dahin, aber manches ist dann auch brillant. Und dass er mit seinen Andeutungen über Koksgelage auf Ibiza ein Faktor war bei der Veröffentlichung des Strache-Videos, ist nicht zu unterschätzen.
Es sagt viel über die Lage einer Nation aus, wenn Satiriker plötzlich als Autorität wahrgenommen werden. Eine Berufsgruppe, die sich aufs Verspotten und Bloßstellen versteht, scheint beim Publikum einen Nerv zu treffen. Politik mit ihrer umständlichen Sprache und den langen Entscheidungswegen verfehlt oft die ganz grundlegenden Bedürfnisse der Menschen. Wenn die Zeiten dann richtig ernst sind, ist Lachen umso befreiender. Selbst wenn es ein bitteres Lachen ist.
Marc.Beyer@ovb.net