Wirft May heute das Handtuch?

von Redaktion

Die Tage von Theresa May als britischer Premierministerin scheinen gezählt. Spekuliert wird, dass sie schon heute ihren Rücktritt ankündigen könnte. Ihre neuen Brexit-Pläne sind auf Eis gelegt.

VON CHRISTOPH MEYER

London – Die britische Regierung will nun doch nicht den Entwurf für das Gesetz zum Brexit-Abkommen vorlegen. Das teilte ein Regierungsmitglied gestern im Parlament mit. Der Rückzieher fachte Spekulationen an, Premierministerin Theresa May stehe kurz vor dem Rücktritt. Bereits heute könnte sie ein Datum für ihren Abschied bekannt geben, berichteten britische Medien. Unklar war zunächst, ob sie mit sofortiger Wirkung zurücktreten wird oder noch eine Gnadenfrist bekommt. Außenminister Jeremy Hunt sagte Journalisten, er erwarte, dass May beim geplanten Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump (3. bis 5. Juni) noch im Amt sein werde.

Das nun auf Eis gelegte Gesetzgebungsverfahren gilt als letzte Chance, um den mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Deal der Premierministerin noch zu retten. Sie hatte darin Zugeständnisse an Brexit-Hardliner in ihrer konservativen Partei und an die Opposition angekündigt. Auch eine Abstimmung, ob der Deal den Briten in einem Referendum vorgelegt werden soll, war geplant. May hatte den Vorstoß, den sie als „groß und kühn“ und als „neuen Brexit-Deal“ bezeichnete, noch am Mittwoch im Parlament verteidigt.

Die Reaktionen darauf waren jedoch vernichtend gewesen. Sowohl aus den Reihen ihrer konservativen Tories als auch aus der Opposition hagelte es Kritik und Rücktrittsforderungen. Die Ministerin für Parlamentsfragen, Andrea Leadsom, legte aus Protest gegen die Pläne ihr Amt nieder. An ihre Stelle trat Mel Stride, der zuvor als Staatssekretär im Finanzministerium tätig war.

Leadsom ist bereits das zwölfte Kabinettsmitglied seit der Parlamentswahl im Juni 2017, das Mays Kabinett vorzeitig verlässt. Fünf traten im Streit um den Kurs der Regierung beim EU-Austritt zurück, darunter Ex-Außenminister Boris Johnson. Er gilt nun als aussichtsreicher Kandidat für Mays Nachfolge. Es galt nicht als ausgeschlossen, dass noch weitere Kabinettsmitglieder ihren Hut nehmen. In der ersten Juni-Woche sollten die Abgeordneten eigentlich über den Gesetzentwurf entscheiden. Ob das nun noch stattfinden wird, erscheint aber zweifelhaft.

Mit Spannung wird nun das Ergebnis eines für heute geplanten Treffens zwischen May und dem Vorsitzenden des 1922-Ausschusses der Konservativen Partei erwartet. Das Gremium ist für die Organisation der Wahl und auch der Abwahl des Parteichefs zuständig. Sollte sich May weigern, ihren Rücktritt bekannt zu geben, könnte das Gremium die Regeln ändern, um ein schnelles neues Misstrauensvotum gegen May als Parteichefin und damit als Premierministerin zu ermöglichen, so die Spekulationen. Berichten zufolge soll es dazu bereits eine geheime Abstimmung gegeben haben, um schnell handeln zu können. Bislang kann ein Misstrauensvotum nur einmal in zwölf Monaten stattfinden. Der jüngste Versuch war im vergangenen Dezember gescheitert.

Im Falle eines Rücktritts oder einer Abwahl Mays müssten die Konservativen einen neuen Parteichef wählen, der dann auch das Amt des Regierungschefs einnehmen würde. May hat bereits zugestimmt, einen Zeitplan dafür nach der Abstimmung über ihren Brexit-Gesetzentwurf vorzulegen.

Beschleunigt werden könnte ihr Sturz, sollten die Konservativen noch stärker als erwartet bei der Europawahl abgestraft werden. Letzten Umfragen zufolge könnten Mays Konservative auf ein einstelliges Ergebnis abstürzen. Großer Wahlfavorit ist die EU-feindliche Brexit-Partei von Nigel Farage, die nach Umfragen bei 38 Prozent liegt.

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