Ein Abend unter Freunden

von Redaktion

Beim letzten Mal, als sie Wahlkampf in München machte, schlug Angela Merkel ein eisiger Wind entgegen. Diesmal, bei der Abschlusskundgebung der EVP für die Europawahl, geht man auf Nummer sicher. In fast geschlossener Gesellschaft spricht sich die Kanzlerin nochmals für Manfred Weber als EU-Kommissionspräsident aus.

VON MARC BEYER

München – Als Markus Söder den Saal betritt, legen die Leute erst mal ganz ungeordnet los mit ihrem Applaus. Aber dann setzt sich die Musik durch, eine peppige Version von „Freude, schöner Götterfunken“, und bald klatscht die Menge im Rhythmus, den die Band vorgibt.

Es ist deshalb zunächst gar nicht so leicht einzuordnen, wie der Empfang für Angela Merkel ausfällt. Wohlwollend ist er auf jeden Fall. Und als Bayerns Ministerpräsident die Kanzlerin mit dem subtilen Hinweis „Europa versöhnt“ und einem keckernden Lachen begrüßt, verstehen die Gäste sofort, wie das gemeint ist. Sie spenden einen Applaus, in dem man tatsächlich baden kann.

Gemessen an der Bedeutung dieser Wahl und an der Tatsache, dass Merkel am Freitag bei der Abschlusskundgebung der EVP in der Messe München ihren einzigen Auftritt überhaupt im eigenen Land bestreitet, ist der Rahmen geradezu diskret. 2000 Zuschauer wären als Kulisse ohnehin überschaubar – aber es sind auch noch 2000 Gäste, die sich vorher anmelden mussten. Auf Kontakt zur Laufkundschaft hat man bewusst verzichtet.

Aus der CSU ist zu vernehmen, die Erinnerung an 2017 und den Bundestagswahlkampf sei noch zu wach und unschön. Damals sprach Merkel auf dem Marienplatz. Zu hören war sie aber nur eingeschränkt, weil ihre Worte untergingen in einem Konzert aus Pfiffen und Beleidigungen – überwiegend, aber nicht allein durch AfD-Anhänger. Die Flüchtlingskrise hatte das Land fest im Griff.

Es sind nun andere Zeiten, und Merkel ist diesmal nicht die Hauptdarstellerin, sondern erste und prominenteste Unterstützerin für Manfred Weber, neben Rednern wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Lech Walesa. Sie nennt Weber eine „Persönlichkeit, die dafür steht, dass sie Brücken bauen kann und will“. Mit ihm wolle man „die Wahl gewinnen, stärkste Fraktion werden und ihn zum Präsidenten der Europäischen Kommission machen“.

Weber wird, wie das so ist, ausgiebig gelobt. Seine Geduld, sein Führungsstil, Enthusiasmus, Teamplay. Es ist ein Heimspiel, ein „Finale dahoam“, wie der Moderator (einer der wenigen Österreicher im Saal, Sebastian Kurz hatte abgesagt) ruft. Dass dieses Finale für den Gastgeber, den FC Bayern, unerfreulich ausging, wird verschwiegen. Tatsächlich geht der Kampf für Weber, der an diesem Abend noch mal all seine Ideen abfeuert – Kampf gegen Krebs, Marshallplan für Afrika und als Signal gegen Bürokratie „1000 Gesetze und Regelungen einfach streichen“ –, am Sonntag ja weiter. Vielleicht geht er sogar erst richtig los. Als Spitzenkandidat der EVP wäre er selbst im Siegesfall noch lange nicht Kommissionspräsident.

Frans Timmermans, sein Rivale, hat am Vorabend die Erwartungen übertroffen. In den Niederlanden war seine Arbeitspartei überraschend stärkste Kraft. Daheim im Freistaat die Nummer eins zu sein, wird auch Weber gelingen. Doch weil die Messlatte für ihn als CSU-Mann höher liegt, dürfte es maximal zu einem Ergebnis der Kategorie „Geht so“ reichen. Bei 39 Prozent sehen die Wahlforscher die CSU. Vor fünf Jahren waren es noch 40,5, und schon das sorgte nicht für Jubel.

Die SPD hatte schon etwas früher an diesem Tag den Endspurt eingeläutet, in Bremen, wo am Wochenende noch mehr auf dem Spiel steht. Hier wird auch eine neue Bürgerschaft gewählt. Die Prognosen für die Sozialdemokraten sind mäßig, aber im Vergleich zur Europawahl noch rosig. Bei der macht allein der Blick über die Grenze Hoffnung. Richtung Niederlande. „So kann es weitergehen“, sagt Fraktionsvize Achim Post. Aber dazu müssen sie schon auch selber liefern.

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