London – Am Ende wurde die sonst stets gefasst auftretende Theresa May doch von Emotionen überwältigt. Mit brüchiger Stimme und den Tränen nahe kündigte sie am Freitag in London ihren Rücktritt an. Am 7. Juni tritt sie als Parteichefin der Konservativen zurück. Bis Ende Juli gibt sie auch das Amt der britischen Regierungschefin ab – das Amt, „das auszuüben die Ehre meines Lebens war“, wie sie sichtlich bewegt erklärte.
Mit großer Beharrlichkeit hatte Theresa May in den vergangenen Monaten um ihr Brexit-Abkommen gekämpft. Dreimal war sie mit ihrem Vorhaben im Parlament gescheitert. Am Ende wurde der Druck zu groß, der Rücktritt unumgänglich.
Seit Jahren ist das Schicksal der 62-jährigen Tory-Politikerin eng mit dem Brexit verbunden: Erst das Chaos unmittelbar nach dem Referendum im Juni 2016 hatte May ins Amt gebracht. Weil niemand den Posten wollte, wurde die damalige Innenministerin, die zuvor für den Verbleib in der EU geworben hatte, von den Tories zur neuen Regierungschefin gekürt.
Eigentlich hätte sie mit absoluter Mehrheit bis 2020 regieren können. Aufgrund hervorragender Umfrageergebnisse setzte sie aber Neuwahlen an, um sich ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel zu holen – und scheiterte. Seit 2017 führte May eine Minderheitsregierung.
Trotz massiver Kritik auch aus ihrer Partei und begleitet von Rücktritten namhafter Kabinettsmitglieder handelte sie mit Brüssel den EU-Austrittsvertrag aus. Danach wiederholte sie gebetsmühlenartig, dass dies der bestmögliche Deal sei.
Es folgte ein Rückschlag auf den nächsten, aber May blieb kämpferisch: Einen ersten Termin für das Brexit-Votum im Dezember verschob sie kurz vorher, um der sicheren Niederlage zu entgehen. Dann überstand sie ein innerparteiliches Misstrauensvotum.
Mitte Januar scheiterte sie dann mit ihrem Abkommen krachend im Unterhaus. Ein Misstrauensvotum im Parlament überstand May am nächsten Tag aber. Knapp zwei Monate später musste sie die nächste Niederlage hinnehmen, als das Parlament erneut mit großer Mehrheit den Brexit-Vertrag ablehnte. Selbst als die Premierministerin ihren Rücktritt anbot, um doch noch eine Mehrheit im Unterhaus zu erreichen, verweigerten ihr die Abgeordneten Ende März zum dritten Mal die Zustimmung.
Am Dienstag startete sie dann ihr letztes Manöver und stellte eine Reihe von Kompromissen vor – unter anderem ein zweites Referendum. Die Vorschläge wurden von allen Parteien beinahe durchgängig kritisiert, die Rufe nach einem Rücktritt wurden immer lauter. Am Freitag zog May schließlich die Konsequenzen.
Mays Kritiker werfen ihr vor, beratungsresistent zu sein und als Einzelkämpferin keine Koalitionen zu bilden. Von Anfang an legte sie sich fest: „Brexit ist Brexit“, sagte sie immer wieder wie ein Roboter, weshalb sie ihren Spitznamen „Maybot“ nicht mehr los wurde.
Zugleich wurde ihr für ihr Durchhaltevermögen während des monatelangen Brexit-Chaos auch Bewunderung zuteil. Dass sie hart ist, bewies die Pfarrerstochter bereits in ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016, in der sie für eine stramme Sicherheitspolitik stand. Wie zäh sie ist, zeigte sie bei ihren Auftritten im Parlament: Während ihr offene Feindseligkeit entgegenschlug, stand die Premierministerin meist nur da, lächelte starr und wiederholte ihre Äußerungen.
May verbrachte fast ihr gesamtes Berufsleben in der Politik. Nach ihrem Geografie-Studium in Oxford, wo sie ihren Mann Philip kennenlernte, arbeitete sie kurz bei der Bank von England. Doch schon 1986 zog es sie als Gemeinderätin im vornehmen Londoner Stadtbezirk Merton in die Politik. 1997 wurde sie ins Unterhaus gewählt – als Abgeordnete des wohlhabenden Wahlbezirks Maidenhead. Von 2002 bis 2003 war sie die erste Generalsekretärin der Konservativen.
Nun nimmt ihre politische Karriere ein glanzloses Ende. Der Brexit, den sie nie wollte, hat die Frau, die schon mit zwölf Jahren wusste, dass sie in die Politik gehen möchte, zu Fall gebracht.