6 FRAGEN AN
Der Münchner Bernd Posselt (CSU), 62, ist glühender Europäer. Seit 1979 hat er an jeder Sitzung des EU-Parlaments teilgenommen, erst als Mitarbeiter eines Abgeordneten, dann als Abgeordneter. Bei der Wahl 2014 flog er aus dem Parlament – trotzdem machte er weiter wie bisher. Er ging zu jeder Debatte und ignorierte seine Abwahl. Jetzt unternimmt er einen neuen Anlauf, wieder echter Abgeordneter zu werden. Die CSU hat ihm Listenplatz 7 gegeben.
Europa mutet Ihnen viel zu. Es ist 20.25 Uhr. Stand jetzt ist unsicher, ob sie ins Parlament kommen? Vielleicht schaffen es nur sechs CSUler.
Es schaut ganz gut aus, dass ich sozusagen heute Nacht noch im Parlament sitzen werde. Im schlechtesten Fall sitze ich im Juli im Europaparlament.
Das müssen Sie erklären.
Wenn es nur sechs Abgeordnete von der CSU werden und Manfred Weber in die Kommission gewählt wird, wovon ich ausgehe, dann würde ich nachrücken.
In ihrem Szenario gibt es einige Unsicherheiten. Was machen Sie, wenn sie den Einzug doch knapp verpassen – werden Sie dann wieder freischaffender Abgeordneter auf eigene Kosten?
Ich engagiere mich seit meinem 16. Lebensjahr für die europäische Einigung. Ich war 20 Jahre Abgeordneter – dann habe ich mich fünf Jahre ehrenamtlich weiter gekümmert wie Millionen andere auch. Nur mit den Möglichkeiten und dem Wissen eines Ex-Abgeordneten. Jetzt mach ich entweder als Ehrenamtlicher weiter – oder wieder als Abgeordneter. Unabhängig von Mandat oder Nicht-Mandat werde ich bis zum letzten Schnaufer für Europa eintreten.
Was ist der größte Vorteil, echter Abgeordneter zu sein?
Ich muss niemanden bitten, meinen Antrag einzubringen, sondern ich kann es selber machen.
Auf welche Themen kommt es in den nächsten Jahren in Europa an?
Das Eine ist die Demokratisierung der EU. Wenn es uns gelingt, Manfred Weber gegen das Gemecker aus den Kreisen der Staats- und Regierungschefs durchzusetzen, dann wird das ein entscheidender Schritt hin zu einer parlamentarischen Demokratie. Der zweite große Bereich wird die Außen- und Sicherheitspolitik.
Welche Rede wollen Sie zuerst halten, wenn Sie ins Parlament einziehen?
Ich habe im EU-Parlament tausende Reden gehalten, außerhalb zehntausende. Ich habe, bevor ich zum Rednerpult gegangen bin, nie die geringste Ahnung gehabt, was ich sagen werde.
Interview: Stefan Sessler