Kurz vor dem Sturz?

von Redaktion

Österreichs Bundeskanzler rechnet damit, dass FPÖ und SPÖ sich heute gemeinsam gegen ihn wenden

Wien – Österreichs Kanzler würde auf sich selbst nicht wetten. Momentan deute viel darauf hin, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine Koalition bildeten, um ihn loszuwerden, sagte Sebastian Kurz der „Kronen Zeitung“. Damit würden seine Chancen für einen Verbleib an der Spitze von Österreichs Regierung gegen null tendieren. Doch ob es so kommt, wusste auch Kurz gestern noch nicht.

Offiziell haben sich beide Parteien noch nicht geäußert, wie sie heute beim Misstrauensantrag gegen den Kanzler abstimmen werden. Lediglich Tendenzen waren in den vergangenen Tagen zu vernehmen, etwa von den SPÖ-Landeschefs. Es müsse noch einiges sehr Überraschendes passieren, damit Kurz das Vertrauen der SPÖ gewinne, sagte Kärntens Ministerpräsident Peter Kaiser. „Das hat ein Stadium erreicht, wo wir parteiintern nicht mehr zurück können“, sagte der burgenländische Landeschef Hans Peter Doskozil der „Presse“. Die beiden sind wichtige Stimmen in ihrer Partei, eine Stimme beim Votum haben sie aber nicht.

Der Misstrauensantrag gegen den Kanzler soll heute eingebracht werden. Mit einem Resultat wird frühestens am späten Nachmittag gerechnet. Stürzt der 32 Jahre alte Politstar also ebenfalls über das skandalöse Video, das den Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Misskredit brachte und ein politisches Beben in der Alpenrepublik zur Folge hatte?

Am 17. Mai veröffentlichten „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ ein Video, auf dem Strache mit einer angeblichen russischen Investorin über möglicherweise illegale Parteispenden, über Einflussnahme im Wahlkampf und über entsprechende Gegenleistungen in Form von öffentlichen Aufträgen spricht. Das Erscheinen des Videos hatte den Rücktritt Straches von allen politischen Ämtern und den Bruch der gesamten Regierung zur Folge. Seit der Veröffentlichung wurde gerätselt, wer hinter den heimlichen Aufnahmen steckt. Nun hat ein Wiener Anwalt Berichten zufolge seine Mitwirkung eingeräumt. „Es handelte sich um ein zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden“, ließ er über seinen Rechtsanwalt Richard Soyer mitteilen, wie deutsche und österreichische Medien berichteten.

„Aufgrund der Reaktionen der betroffenen Politiker entfaltete sich in der Folge eine Eigendynamik“, teilte Soyer weiter mit. Für seinen Mandanten seien aber nur „demokratiepolitische und rechtliche Überlegungen“ relevant. Ein „verdeckter Kameraeinsatz“ sei „zur Aufdeckung von Missständen zulässig und durch die Meinungsfreiheit geschützt“. Die heutige Sondersitzung des Parlaments ist nun der nächste Höhepunkt dieser schweren Regierungskrise.

Sicher ist: Ein Misstrauensvotum gegen Kurz wäre ein Dämpfer für seine Karriere, aber sicher nicht ihr Ende. Dass Kurz und die ÖVP aus den Neuwahlen im September nicht als weiterhin stärkste Kraft hervorgehen, ist nahezu undenkbar. Das zeigte auch eine Umfrage, über die die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ am Samstag berichtete. Laut der repräsentativen Auswertung des Market-Instituts aus Linz würden 37 Prozent der Befragten Sebastian Kurz bei einer Direktwahl die Stimme geben. Die SPÖ-Chefin erhielt demnach 22 Prozent der Stimmen. Beide Werte seien gegenüber der Vorwoche nahezu unverändert, schreibt „Der Standard“ – die Regierungskrise hat dem Ansehen des Kanzlers zumindest in dieser Umfrage also noch nicht geschadet.

In der gleichen Umfrage sagten zudem 52 Prozent, dass sie gegen einen Sturz der Regierung sind, 30 Prozent sind dafür, der Rest ist unentschlossen.

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