„Die CSU muss wieder heimatbewusster werden“

von Redaktion

INTERVIEW Parteienforscher Falter erklärt, warum die Jungen ein Privileg haben und was der Selbstmord der SPD wäre

Prof. Jürgen Falter ist einer der renommiertesten Parteienforscher Deutschlands. Für uns analysiert er die Ergebnisse der Europawahl.

Wie erklären Sie sich den Riss im Wahlverhalten zwischen Jung und Alt?

Darin zeigt sich die Digitalisierungs-Kluft zwischen den Generationen. Die Jungen fühlten sich einerseits durch die europäische Urheberrechtsverordnung zurückgestoßen, die unglücklicherweise für die CDU von einem ihrer Europa-Abgeordneten als Berichterstatter vertreten wurde. Dann kam noch der Youtuber Rezo dazu, der millionenfache Klicks dadurch erzielte, dass er dazu aufrief, nicht CDU oder SPD zu wählen. Hinzu kommt das Klimathema, das durch die Fridays for Future-Bewegung immer größeres Gewicht bekommt. Die Jugend hat ja auch das Privileg, nicht sämtliche Konsequenzen politischen Handelns bedenken zu müssen. Sie kann daher viel besser monothematische Forderungen aufstellen.

Was könnten die Volksparteien tun, um Jungwähler zu überzeugen?

Die CDU hätte Rezo zumindest auf dem gleichen Medium – Youtube – eine einigermaßen adäquate Antwort geben müssen! Das hat CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak anscheinend unterbunden. Mit anderen Worten: Union und SPD müssen sich ganz generell digitaler Mittel besser bedienen. Sich nur anzubiedern an den Zeitgeist wäre allerdings auch ein Fehler.

Markus Söder hat die Grünen zum neuen Hauptgegner erklärt. Was kann die Union tun, um hier Wähler zurückzugewinnen?

Auf bestimmte Torheiten wie den Donau-Ausbau hat man ja schon verzichtet, andere Torheiten hat man sehenden Auges begangen, etwa die Autobahn, die man in Sichtweite von Vierzehnheiligen und Kloster Banz gelegt hat. Die CSU muss tatsächlich wieder heimatbewusster werden und zur Kenntnis nehmen, dass die meisten Bayern gerne den Freistaat so erhalten möchten, wie er ist, ohne täglich wachsende Zubetonierung. Die CSU muss es hinkriegen, Klimapolitik mit Wirtschaftspolitik zu verbinden – da könnte sie Kompetenzen entwickeln, die die Grünen bisher nicht haben, die bislang doch eher zur Verbotswirtschaft neigen.

Sind die Grünen jetzt in der Pflicht, einen Kanzlerkandidaten zu stellen?

Völlig unrealistisch ist das nicht, da sie durchaus in Zukunft bundesweit eine Grün-Rot-Rot-Koalition anführen und dabei den Kanzler stellen könnten. Allerdings haben die Grünen das Problem, dass dies eine Form der Personalisierung erfordert, die Teile der Partei scheuen.

Läuft dann alles auf Robert Habeck zu?

Er hätte sicher die besseren Chancen, aber bei den Grünen spielt ja auch der Geschlechterproporz eine wichtige Rolle.

Ein Ost-West-Riss geht durch ganz Europa…

Sicher, wenn Sie etwa auf Ungarn oder Polen schauen. Aber in Europa gibt es zudem eine Nord-Süd-Kluft, wenn Sie Italien und Frankreich nehmen, wo die Le-Pen-Bewegung wieder stärkste Partei geworden ist.

Der Wahlkampf wurde stark von der Rechtspopulisten-Gefahr beherrscht. Hat das diese Parteien sogar noch gestärkt?

In jedem Fall war es einer der drei Faktoren, die die Wahlbeteiligung hochgetrieben haben – neben dem Brexit und der Klima-Diskussion, die sich ja nur auf EU-Ebene sinnvoll anpacken lässt.

Was würden Sie der SPD jetzt raten? Raus aus der GroKo?

Das wäre geradezu Selbstmord. Was wäre das für eine Erholung, aus der Regierung rauszugehen, um dann nach Neuwahlen mit nur noch 15 Prozent, auf Augenhöhe mit der AfD, vielleicht sogar hinter dieser, in den Bundestag einzuziehen? Die SPD kann nur auf eine Besserung der Stimmung hoffen. Und auf zugkräftigeres Personal – und da ist der Griff in die Mottenkiste der Gescheiterten mit Martin Schulz vermutlich nicht der richtige Weg.

Interview: Klaus Rimpel

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